Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
man nicht von mir verlangen.«
Bei diesen Worten ergriff er die Zügel, um seinen Pony wieder in Bewegung zu setzen.
»Wir verlangen gar nicht mehr,« fuhr ihn der Oelprinz an. »Wir haben überhaupt gar nichts von Euch verlangt, und Ihr konntet also Eure Meinung recht gut für Euch behalten. Macht Euch fort von uns!«
Der Kurier ließ sich auch durch dieses Verhalten nicht aus der Fassung bringen, sondern antwortete im Tone eines Lehrers, der seinem Schüler eine Ermahnung gibt:
»So ein Grobian wie Ihr ist mir noch nicht vorgekommen; es reiten doch recht verschiedene Menschen im Westen hin und her!«
Und sich an den Bankier wendend, fuhr er fort:
»Ehe ich dem Befehle dieses großmächtigen Gentleman Gehorsam leiste und mich ›fort von Euch mache‹, muß ich Euch noch eins sagen, nämlich: Wenn es sich in dieser Gegend um ein Geschäft handelt, so ist es allemal ein gefährliches, auch in ganz gewöhnlichen, friedlichen Zeiten; wenn es aber selbst unter den gegenwärtigen Verhältnissen keinen Aufschub erleiden darf, so ist es nicht bloß ein gefährliches, sondern geradezu ein verdächtiges. Nehmt Euch also in acht, Sir, daß es Euch dabei nicht an Kopf und Kragen geht!«
Er wollte fort; da zog der Oelprinz sein Messer und schrie ihn an:
»Das war eine Beleidigung, Mensch! Soll ich dir diesen spitzen Stahl zwischen die Rippen geben? Sag noch ein einziges Wort, so thue ich es!«
Da blitzten aber auch schon die Läufe zweier Revolver in den Händen des Kuriers und noch mehr blitzten seine Augen, als er ihm, verächtlich lachend, antwortete:
»Versuch’s doch einmal, my boy! Thu augenblicklich das Messer fort, sonst schieße ich! Hier sind zwölf Kugeln, Mesch’schurs. Wer von euch nur die bloße Hand gegen mich bewegt, dem schieße ich ein Loch durch seine arme Seele. Also fort mit dem Messer, Mensch! Ich zähl’ bis drei! Eins – – zwei – – –«
Es war ihm anzusehen, daß es ihm ernst war, seine Drohung wahr zu machen; darum ließ es Grinley wohlweislich nicht bis zur Drei kommen, sondern steckte sein Messer ein, ehe sie ausgesprochen wurde.
»So ist’s richtig!« lachte der Kurier. »Ich wollte Euch auch nicht geraten haben, es darauf ankommen zu lassen. Für heut ist’s genug; aber sollten wir uns vielleicht noch einmal begegnen, so werdet Ihr noch viel mehr von mir lernen!«
Nun ritt er fort und hielt es nicht der Mühe wert, sich einmal umzusehen. Grinley griff nach seinem Gewehre, um es auf ihn zu richten; da legte der Buchhalter ihm die Hand auf den Arm und sagte in beinahe strengem Tone:
»Macht keine weiteren Dummheiten, Sir! Wollt Ihr den Mann erschießen?«
»Keine weiteren Dummheiten?« wiederholte der Oelprinz Baumgartens Worte. »Habe ich denn schon welche gemacht?«
»Allerdings!«
»Wieso?«
»Eure Grobheit, Euer ganzes Verhalten war eine. Der Mann meinte es offenbar gut mit uns, und ich kann wirklich keinen Grund ersehen, der Euch veranlassen konnte, ihn in solcher Weise zu behandeln!«
Grinley wollte ihm eine zornige Antwort geben, besann sich aber eines andern und erwiderte:
»Bin ich grob gegen ihn gewesen, so seid Ihr es jetzt gegen mich; lassen wir das sich gegenseitig aufheben. Der Kerl war, indem er Euch warnte, ein Hasenfuß.«
»Aber als Ihr mit dem Messer an ihn wolltet, benahm er sich gar nicht wie ein solcher, sondern Ihr waret es, der beigeben mußte!«
»Das ist gar keine Schande. Der Teufel mag ruhig zusehen, wenn ihm zwei sechsfach geladene Läufe auf die Brust gerichtet werden! Doch genug hiervon; reiten wir weiter!«
Buttler und Poller hatten sich während dieser ganzen Scene äußerst ruhig verhalten, doch war ihnen anzusehen, daß sie sich über das Erscheinen und Verhalten des Kuriers, besonders über seine Warnungen, nicht wenig ärgerten. Sie warfen im Weiterreiten ebenso wie der Oelprinz besorgt forschende Blicke auf Rollins und Baumgarten, um an ihren Mienen abzulesen, welchen Eindruck diese Warnungen gemacht hatten.
Die Stimmung war eine ganz andre als vorher; es wurde nicht gesprochen, und jeder schien mit seinen Gedanken zu thun zu haben, bis nach einiger Zeit die Sonne verschwand und ein zum Nachtlager passender Ort gefunden wurde. Um ein Abendessen brauchten sie sich nicht zu sorgen, weil der Oelprinz auf dem Pueblo hinreichend mit Proviant versehen worden war. Sie verzehrten es schweigend, und erst als es völlig dunkel geworden war, fiel das erste Wort aus Baumgartens Munde:
»Brennen wir ein Feuer an?«
»Nein,« antwortete
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