Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
Vom Netzwerk:
Stück Krimskrams auf Spyres riesigen Haufen geworfen, ohne zu ahnen, dass er damit die Barriere
gegen alle Fluchtgedanken erhöhte, die seine eigenen Kinder hegen könnten. Fremde Sprachen, die jeweils nur von einem Dutzend Menschen gesprochen wurden, erfreuten sich großer Beliebtheit. Venera hatte gehört, dass die lichtlosen Innenräume mancher Besitzungen zu bizarren Totenschreinen geworden waren, wenn der geliebte Patriarch starb, weil Tradition oder Angst verhinderten, dass jemand den Leichnam berührte. Mehr als eine Nation war auf diese Weise mitgestorben, von innen heraus aufgefressen vom eigenen Mausoleum. Die letzten Bewohner hatten ihr Leben in einem efeuüberwucherten Pförtnerhaus gefristet, ohne ein einziges Mal durch das Tor zu treten.
    Nun stürzten die gestaffelten Hecken und Mauern ein. Aus halbversteckten Gebäuden war das Klirren von splitterndem Glas zu hören, wenn sich die Pfeiler verschoben. Seit Jahrhunderten verschlossene Türen sprangen plötzlich auf und gaben, wo nicht Finsternis herrschte, den Blick frei auf unverständliche Szenen, die sich ins Gedächtnis einbrannten - Schnappschüsse von Kulturen und Ritualen, die sich in der Isolation so ausschließlich auf sich selbst bezogen hatten, dass sie für Außenstehende nie mehr zu entschlüsseln sein würden.
    Auch Menschen kamen nun zum Vorschein, sie rannten ins Freie, als die Erde bebte und Spyres Metallhülle unter ihnen ächzte. Sie purzelten heraus wie Larven aus einem Wespennest, das ein Junge gedankenlos auseinandergerissen hatte; viele warfen sich zu Boden und schlugen um sich, weil sie mit dieser großen, fremden Welt, in die sie so unversehens hineingestoßen wurden, nicht zurechtkamen. Manche liefen schreiend davon,
verletzten sich oder andere, standen stumm da oder lachten.
    Als ein Herrenhaus mit vielen Balkonen in sich zusammenfiel, erhaschte Venera einen Blick auf die Bewohner, die noch darin waren: die einen waren uralt und saßen, die pergamenttrockenen Hände im Schoß gefaltet, regungslos unter den einstürzenden Decken; die anderen starrten in heller Panik mit großen Augen auf freie Felder, wo einst Mauern gewesen waren. Dann stürzte Stockwerk um Stockwerk ein, das Bauwerk faltete sich in einer gewaltigen Staubwolke regelrecht zusammen und begrub alles unter sich.
    »Liris’ Kabel ist gerissen«, sagte jemand. Venera sah sich nicht um. Sie war von einer unbegreiflichen Gelassenheit erfüllt; was hatten sie schon zu befürchten? Sie würden alle an Virgas Himmel zurückkehren. Sie kannte diesen Himmel, war oft genug darin geflogen. Das war natürlich die Ironie der Geschichte: denn wer mit dem Strom von abgebrochenen Teilen des großen Rads in die Luft stürzte, für den wäre das nicht das Ende, sondern ein Anfang. Wenn überhaupt, dann konnten das nur wenige begreifen. Deshalb sagte sie nichts.
    Was war mit ihr? Sie hatte sich vor ihren intriganten Schwestern und den mordlustigen Hofschranzen ihres Vaters gerettet, indem sie einen schneidigen Admiral heiratete. Letztlich hatte er ihre Erwartungen erfüllt, aber er war auch gestorben. Venera hatte nur eine einzige Methode kennengelernt, um solche Krisen zu bewältigen, und die hieß Rache. Jetzt klopfte sie auf die Vorderseite ihrer Jacke, dahin, wo der Schlüssel zu Candesce wieder sicher in der Innentasche verwahrt war.
Ein nutzloses Ding, erkannte sie jetzt; sein Einsatz hatte nichts Sinnvolles bewirkt, und das würde auch künftig so sein.
    Wovon sie sich verabschieden musste, war die Annehmlichkeit, sich in sich selbst verkriechen zu können. Wenn sie überleben wollte, müsste sie anfangen, die Gefühle anderer Menschen ernst zu nehmen. Wer keine Macht hatte, der musste sich anpassen.
    Sie streifte Garth, der ganz in ein Gespräch mit seiner rot uniformierten Tochter vertieft war, mit einem liebevollen Blick und musste zugeben, dass sie diese Aussicht nicht mehr so erschreckend fand wie einst.
    Das Gehen wurde mühsamer, weil die Schwerkraft zwischen nahezu Null und mehr als einer Ge zu schwanken begann. Veneras Pferd wollte nicht mehr weiter, und sie musste absitzen. Als es daraufhin weglief, zuckte sie die Achseln und gesellte sich zu Bryce und Sarto, die sich mit politischen Streitgesprächen die Zeit vertrieben. Sie lächelten ihr nur kurz zu und machten weiter. Langsam, mit vielen Pausen kämpften sie sich nach Flosse vor. Mehrmals taten sich vor ihnen Risse im Boden auf, und dann lief alles in Panik durcheinander.
    Sie waren fast am Ziel, als Buridan

Weitere Kostenlose Bücher