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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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dass man sich so klein vorkommen konnte. Spyre rotierte wie die Habitate, in denen sie aufgewachsen war. Aber das war auch die einzige Gemeinsamkeit mit den Welten, die sie kannte. Diamandis’ kleiner Turm stand zwischen vereinzelten Bäumen und Hartgräsern auf einer unbebauten Ebene, die sich nach allen Seiten mehr als zwei Kilometer erstreckte und von Bäumen begrenzt wurde. Auf jeder vernünftigen Welt hätte man so viel Grund unter Schwerkraft mit Häusern zugepflastert; die leeren Plätze und halbverfallenen Villen müssten von Menschen nur so wimmeln.
    Hinter den Bäumen zerfiel die Landschaft in ein Mosaik aus Mauern, Türmen, offenen Feldern und scharf abgegrenzten Wäldern. Und das ging immer weiter und weiter bis in schwindelerregende Fernen. Diamandis’ Turm war nur ein winziges Stäubchen auf der Innenfläche eines Zylinders, dessen Durchmesser sicher fünfzehn bis zwanzig Kilometer betrug und der anderthalb mal so lang war.
    Die Sonne kam schräg von hinten, und Venera drehte sich rasch um; sie suchte nach etwas Vertrautem, das ihr Sicherheit geben könnte. Vor den offenen Enden des mächtigen Zylinders drehten sich langsam und beruhigend die Wolkenlandschaften der normalen Welt; sie hatte also doch nicht allen gesunden Menschenverstand
hinter sich gelassen. Dennoch, die Ausmaße dieses Habitatrades waren für jede ihr bekannte Maschinenbautechnik ein Ding der Unmöglichkeit. Die Energiemengen, die man aufwenden müsste, um es in Virgas wechselhaften Luftströmungen in Rotation zu halten, brächten jede normale Nation an den Bettelstab. Dennoch schien die Stadt uralt zu sein, wie die vielen überwucherten Ruinen und natürlichen Waldstücke bezeugten. Hier und dort gab es sogar Lücken in der Außenhülle, durch die sie weit draußen immer wieder die Wolken und den Himmel sehen konnte.
    »Sind das Löcher?«, fragte sie und deutete auf einen solchen Krater. Darüber wirbelten Blätter, Zweige und Sand durch die Luft, und auf mehrere Meter im Umkreis war das Erdreich bis auf eine fleckige Metallhaut abgetragen, die wohl allem hier zugrunde lag.
    Garth runzelte die Stirn, als hätte sie mit dem Hinweis auf das Loch eine Taktlosigkeit begangen. »Ja«, nickte er widerwillig, »Spyre ist uralt und verfällt immer mehr, und es steht unter einer ungeheuren Spannung. Solche Lücken tun sich ständig auf. Jedermann hier kennt Alpträume, in denen ein solcher Riss nicht mehr aufhört. Sollte die Welt jemals zugrunde gehen, dann wird einer dieser Brüche der Anfang vom Ende sein.«
    Leicht beklommen betrachtete Venera die vielen anderen Lücken in der Landschaft. Garth lachte: »Keine Sorge, wenn es ernst wird, sind die Reparaturtrupps in ein oder zwei Tagen zur Stelle, um den Riss zu schließen - wobei sie unentwegt von den jeweiligen Grundbesitzern beschossen werden. Eine solche Reparatur war gerade im Gange, als ich Sie aufgelesen habe.«

    Venera schaute gerade nach oben. »Wenn wir hier in Groß-Spyre sind«, sagte sie und streckte die Hand aus, »dann muss das wohl Klein-Spyre sein?«
    Der leere Raum, um den der Zylinder sich drehte, war mit herkömmlichen Habitaträdern gefüllt. Die Ringe hatten keine Verbindung zu dem größeren Gebilde und rotierten kilometerweit über ihr würdevoll in der Luft. Einige »Räderwerke« waren darunter, Ringe, die sich an den Rändern berührten, während sich andere in erhabener Einsamkeit drehten. Jedes Habitat war von einer Wolke aus kleineren Gebäuden umgeben.
    Die Räder waren nicht vollständig von Groß-Spyre abgekoppelt. Venera sah, dass sich alle ein bis zwei Kilometer Kabeltrossen in verschiedenen Winkeln durch den Riesenzylinder zogen. Einige spannten sich quer über die Welt und bohrten sich weit oben an Spyres Wölbung wieder in den Boden. Andere führten schräg an der Achse vorbei zu einem Punkt auf der gegenüberliegenden Seite; wenn man eines dieser Kabel erklomm, erreichte man die Stadt, die wie eine Eisenwolke in etwa zwanzig Kilometern Höhe schwebte.
    Venera sah an den nächsten Trossen keine Kabinen auf und ab fahren. Die meisten dieser Kabel waren innerhalb der Grundstücke verankert, die das Gelände wie ein Labyrinth überzogen. Ob wohl irgendjemand außer den Besitzern das Recht hatte, sie zu benützen?
    Als Diamandis nicht antwortete, sah Venera zu ihm hinüber. Er blickte zu den fernen Habitaten empor, und in seinem Gesichtsausdruck mischten sich blinde Verehrung und Groll. Er schien in Erinnerungen versunken.

    Endlich blinzelte er und

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