SÄURE
hast du recht.«
»Also«, fragte ich, »nichts Neues?«
»Gar nichts, verdammt! Die Suchmeldung ist jetzt in ganz Kalifornien, Nevada und Arizona raus, und die Kreditnummern sind alle gemeldet. Bisher sind keine Nachrichten über Ticketkäufe eingetrudelt. Kleinigkeiten werden allerdings erst gelistet, wenn die Händler die Bons abschicken, also müssen wir noch darauf warten. Ich habe auch noch mal bei einigen Fluglinien und Luxushotels, die Melissa angerufen hatte, nachgecheckt. Niemand, der auf Mammis Beschreibung paßt, ist letzte Nacht dort aufgetaucht. Ich warte auf das Paßamt, es macht erst um acht auf, für den Fall, daß sie eine Auslandsreise antreten will. Hab’ Melissa gesagt, sie soll weiter die lokalen Fluglinien anrufen. Sie ist eigentlich eine verdammt gute Assistentin.«
»Sie sagte, du wärst einverstanden und würdest McCloskey besuchen.«
»Ich habe ihr gesagt, ich würde es irgendwann heute tun. Kann nicht schaden, ich verpasse sonst nichts.«
»Wann willst du ihn denn besuchen?«
»Ziemlich bald, ich habe bei Douse, dem Anwalt, angerufen. Er soll mich gegen neun zurückrufen. Ich möchte ein paar Sachen nachprüfen, die Anger mir gesagt hat. Wenn Douse bereit ist, meine Fragen per Telefon zu beantworten, nehme ich mir McCloskey vor, sobald wir fertig sind. Wenn nicht, heißt das, daß ich erst ein paar Stunden später bei McCloskey auftauche. Aber er lebt nicht weit von dem Anwaltsbüro entfernt, also sollte ich es so oder so bis zwölf Uhr schaffen. Ob ich ihn finde, ist eine andere Frage.«
»Hol mich ab.«
»Hast du zu viel freie Zeit?«
»Genug.«
»Schön«, sagte er, »du lädst mich zum Lunch ein.«
Er kam um zwanzig vor zehn in seinem Fiat und hupte. Als ich herauskam, hatte er im Carport geparkt.
»Du zahlst den Lunch, und wir fahren mit deiner Karre«, sagte er und deutete auf den Seville, den ich bereits bei Melissa zu Hause abgeholt hatte. Milo trug einen grauen Anzug, ein weißes Hemd und eine blaue Krawatte.
»Wohin?«
»Ins Stadtzentrum, ich dirigiere dich.«
Ich fuhr den Glen hinunter zum Sunset, bog auf die 405 nach Süden ab und wechselte dann zum Santa Monica Freeway Richtung Osten. Milo schob seinen Sitz zurück, so weit es ging. »Wie war das Gespräch mit dem Anwalt?« fragte ich.
»Noch mehr von demselben Geschwätz, wie wir beim First Fiduciary Trust gehört haben. Ich mußte ihn zum Wettpissen auffordern, bevor er bereit war mitzuarbeiten. Aber als er erst mal nachgegeben hatte, war die angeborene Faulheit des Typs stärker als alles andere; er war froh, daß er nur übers Telefon zu reden brauchte. Wahrscheinlich schreibt er eine dicke Rechnung für jede Sekunde, die das Gespräch gedauert hat. Im Grunde hat er alles bestätigt, was Anger gesagt hat: Ramp kriegt fünfzig Mille, Melissa den Rest. Mammi erbt, wenn Melissa etwas zustößt. Wenn sie beide sterben sollten, bevor Melissa Kinder hat, geht alles an Wohlfahrtseinrichtungen.«
»Irgendwelche spezifischen Wohlfahrtseinrichtungen?«
»Medizinische Forschung. Ich habe ihn gebeten, mir die Kopien sämtlicher Schriftstücke zu schicken. Er meinte, er brauche dafür Melissas schriftliche Einwilligung, die ich nicht als ein großes Problem ansehe. Ich hab’ ihn auch gefragt, ob er irgendeine Ahnung hätte, was Gina mit ihrem Taschengeld angestellt hat. Genau wie Anger fand er anscheinend nicht, daß hundertzwanzig Scheine der Rede wert wären.«
Der Verkehr wurde erst eine Meile vor dem Verteiler dicht, dort staute er sich. Ich folgte seinen Anweisungen und fuhr die Los Angeles Street nach Norden. Wir kamen an heruntergekommenen Blocks voll Discountläden und gebührenpflichtigen Parkplätzen vorbei. Im Westen erhob sich im Sanierungsgebiet eine Kette von Hochhäusern aus Spiegelglas, künstlichen Bergen ähnlich. Im Osten lag der Industriegürtel, der das Stadtzentrum von den Boyle Heights trennte. Überall menschliche Wracks in der City. Horden von ihnen waren ab der 6. Straße an Straßenecken versammelt, lagen in den Eingängen der mit Rollgittern verbarrikadierten Geschäfte oder schliefen im Schatten überquellender Müllcontainer. An der 5. Straße mußte ich bei roter Ampel halten. Das Taxi in der Spur neben mir fuhr durch und hätte fast einen langhaarigen blonden Mann mit verschmiertem Gesicht und zerfetzten Jeans überfahren, so daß der Mann, so laut er konnte, zu fluchen anfing und mit seinen verschorften, tätowierten Händen auf den Kofferraum des Taxis einschlug, als es
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