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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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einen raschen Blick zu und kehrte dann zu den Männern zurück. Einige von ihnen hatten sich umgedreht und starrten uns an.
    Der Priester warf ihnen ein Lächeln zu, das sie nicht erwiderten. Er wandte sich dann uns zu und sagte: »Die Polizei ist gestern abend ziemlich lange hier gewesen, und man hat mir versichert, daß alles geregelt wäre.«
    »Wie ich schon sagte, Pater, nur noch ein paar Fragen.«
    »Diese Störungen sind sehr lästig. Nicht so sehr für Joel, er hat Geduld. Aber für die übrigen Männer, die meisten von ihnen haben mit der Polizei Erfahrungen gehabt. Viele sind geistig gestört. Diese Unterbrechungen…«
    »Er hat Geduld«, sagte Milo, »gut für ihn.«
    Andrus gab ein kurzes, bitteres Lachen von sich. Seine Ohren waren rot geworden. »Ich weiß, was Sie denken, Officer. Noch so ein liberaler Wohltäter mit blutendem Herzen, - vielleicht bin ich so einer. Aber das bedeutet nicht, daß mir Joels Geschichte unbekannt ist. Als er vor sechs Monaten hier herkam, war er völlig ehrlich, er hat sich selbst nicht verziehen, wofür er all die vielen Jahre gesessen hat. Und es war eine schreckliche Sache, also hatte ich natürlich meine Bedenken, ob ich ihm erlauben könnte zu dienen. Aber wenn ich etwas darstelle, dann ja doch wohl die Kraft der Vergebung, das Recht, daß einem verziehen werden kann. Also wußte ich, daß ich ihn nicht wegschicken durfte. Und während dieser sechs Monate hat er mir bewiesen, daß ich mich nicht getäuscht habe. Niemand hat selbstloser gedient.
    Er ist nicht mehr derselbe Mann, der er vor zwanzig Jahren war.«
    »Gut für ihn«, wiederholte Milo, »aber wir würden trotzdem gern mit ihm reden.«
    »Sie ist immer noch nicht wieder aufgetaucht, die Frau, die er…?«
    »Verbrannt hat? Noch nicht!«
    »Es tut mir so leid. Ich bin sicher, Joel auch.«
    »Warum? Drückt er sein Bedauern aus, Pater?«
    »Er trägt immer noch die Bürde dessen, was er getan hat, er macht sich unablässig Vorwürfe. Durch das Gespräch mit der Polizei ist alles wieder zurückgekehrt. Er hat letzte Nacht überhaupt nicht geschlafen, war in der Kapelle, auf den Knien. Ich habe ihn gefunden, und wir haben dort zusammen gekniet. Aber er kann überhaupt nichts mit ihrem Verschwinden zu tun haben. Er ist die ganze Woche hier gewesen, hat nie das Haus verlassen; er hat Doppelschichten gearbeitet. Ich kann das bestätigen.«
    »Was für eine Art von Arbeit tut er?«
    »Alles, was gerade getan werden muß. In der letzten Woche war er in der Küche und in der Latrine. Er verlangt in der Latrine zu arbeiten, würde es auch dauernd machen.«
    »Hat er Freunde?«
    Andrus zögerte, bevor er eine Antwort gab. »Freunde, die er anheuern könnte, damit sie Böses tun?«
    »Das habe ich nicht gefragt, Pater, aber jetzt, da Sie’s erwähnen, ja.«
    Andrus schüttelte den Kopf. »Joel wußte, daß die Polizei genau so denken würde. Er hat früher mal jemanden angeheuert zu sündigen, deshalb wäre es unvermeidlich, daß er es wieder täte.«
    »Beste Prognose für die Zukunft ist die Vergangenheit«, erklärte Milo.
    Andrus berührte seinen Klerikerkragen und nickte. »Sie haben eine unglaublich schwierige Aufgabe, Officer, eine lebenswichtige Aufgabe, - Gott segne alle ehrlichen Polizisten! Aber eine der Nebenwirkungen kann Fatalismus sein. Der Glaube, daß sich nie irgend etwas zum Besseren wendet.«
    Milo sah sich unter den Männern um. Die paar, die immer noch herstarrten, wandten sich ab.
    »Sehen Sie hier viele Veränderungen dieser Art, Pater?«
    Andrus zwirbelte ein Ende seines Schnurrbartes. »Genug«, sagte er, »um meinen Glauben zu bewahren.«
    »Ist McCloskey einer von denen, die Ihnen dabei geholfen haben?«
    Die Röte breitete sich von den Ohren des Priesters zu seinem Hals aus. »Ich bin seit fünf Jahren hier, Officer. Glauben Sie mir, ich bin nicht naiv. Ich nehme keine verurteilten Schwerverbrecher von der Straße herein und erwarte, daß sie sich in jemanden wie Gilbert verwandeln. Aber Gilbert hat ein gutes Zuhause, Nahrung, Erziehung gehabt. Er startet mit anderen Voraussetzungen. Jemand wie Joel muß sich mein Vertrauen verdienen - ein höheres Vertrauen verdienen. Es hat ihm geholfen, daß er Empfehlungen mitgebracht hat.«
    »Woher, Pater?«
    »Von anderen Missionen.«
    »Hier in der Stadt?«
    »Nein, Arizona und New Mexico. Er hat bei den Indianern gearbeitet, hat sechs Jahre seines Lebens darauf verwendet, anderen zu helfen, hat seine gesetzliche Strafe abgebüßt und sich als

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