SÄURE
prüfte die Hausnummer, bis ich zwei Blöcke weiter ein Cottage aus Ziegeln und hellrotem Stuck mit einem Pultdach entdeckte. Die Garage war eine verkleinerte Kopie des Hauses, das hinter einer heckengesäumten Einfahrt mit Kopfsteinpflaster lag. Ein zwanzig Jahre alter Mustang, weiß und glänzend, stand in der Einfahrt. Wasserpfützen unter dem Chassis, und ein ordentlich zusammengerollter Gartenschlauch lag neben dem Hinterrad.
Der Vorgarten war ein saftig grüner Rasen, wie man ihn sich in Dublin vorgestellt hätte, gesäumt von Blumenbeeten. Ein gepflasterter Gehweg führte mitten hindurch. Links standen drei amerikanische Birken mit herabhängenden Zweigen. Ein grauhaariger Mann, auf dem Kopf einen Tropenhelm, inspizierte die Zweige und zupfte tote Blätter ab. Aus seiner hinteren Hosentasche hing ein Polierleder.
Wir stiegen aus. Der Mann drehte sich um, als wir den Weg heraufkamen. Erst als wir bis auf ein oder zwei Meter herangekommen waren, sah ich, daß er afrikanische Gesichtszüge hatte, eine Haut so hell wie meine, mit Sommersprossen, die Augen ein goldenes Braun.
»Gilbert Bayliss?« fragte Milo.
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße Sturgis. Ich bin Detektiv - privat - arbeite an dem Fall von Mrs. Gina Ramp, die verschwunden ist. Vor einigen Jahren wurde sie das Opfer von jemandem, um den Sie sich als Bewährungshelfer gekümmert haben. Joel McCloskey.«
»Der gute alte Joel«, sagte Bayliss und nahm den Hut ab. Sein Haar war eine dichte, gekräuselte grauweiße Kappe. »Privatdetektiv, hm?«
Milo nickte. »Zur Zeit, - vom LAPD beurlaubt.«
»Freiwillig?«
»Nicht genau.«
Bayliss blinzelte Milo an. »Sturgis, der Name ist mir bekannt, Ihr Gesicht auch.« Milo verzog keine Miene.
Bayliss sagte: »Ich hab’s! Sie sind der, der dem anderen Bullen im Fernsehen eins reingewürgt hat. Irgendeiner Intrige wegen, so klar ist das damals nicht herausgekommen. Hat mich auch gar nicht interessiert. Ich habe mit alldem nichts mehr zu tun.«
»Gratuliere«, sagte Milo.
»Habe ich auch verdient. Für wie lange hat man Sie denn kaltgestellt?«
»Sechs Monate.«
»Mit oder ohne Gehalt?«
»Ohne.«
Bayliss schnalzte mit der Zunge. »Da arbeiten Sie also auf eigene Rechnung. Ich durfte das nicht. Das hat mich an dem Job gestört, - keine Möglichkeiten zur Entfaltung. Wie gefällt Ihnen der freie Beruf?«
»Es ist ein Job.«
Bayliss sah mich an. »Wer ist das? Noch so ein Übeltäter vom LAPD?«
»Alex Delaware«, stellte ich mich vor.
»Dr. Delaware«, erklärte Milo, »er ist Psychologe und behandelt Mrs. Ramps Tochter.«
»Melissa Dickinson«, sagte ich, »Sie haben vor ungefähr einem Monat mit ihr gesprochen.«
»Ich glaube, ich erinnere mich an so was«, sagte Bayliss. »Psychologe, hm? So einer wollte ich früher auch mal werden. Ich dachte, was ich tat, war sowieso meistens Psychologie, warum sollte ich mich nicht besser dafür bezahlen lassen? Hab’ ein paar Kurse an der Cal State University genommen, hatte genug Punkte für’n Magister zusammen, aber keine Zeit, eine Arbeit zu schreiben oder ins Examen zu gehen, also war’s das auch schon.« Er betrachtete mich genauer. »Wozu laufen Sie denn mit ihm herum? Analysieren Sie alle Leute?«
»Wir haben gerade McCloskey besucht«, sagte ich. »Detektiv Sturgis dachte, es könnte gut sein, wenn ich ihn mir mal ansehe.«
»Aha«, sagte Bayliss. »Der gute alte Joel. Haben Sie ihn ernsthaft in Verdacht, daß er was angestellt hat?«
»Hab’ ihn nur überprüft«, sagte Milo.
»Sie werden pro Stunde bezahlt, und da kommt dann eine Menge zusammen, machen Sie mal keinen Dampf. Ich brauche mit Ihnen nicht zu reden, wenn ich nicht will.«
»Das ist mir klar, Mr. -«
»Dreiundzwanzig Jahre habe ich meinen Dienst gemacht, hab’ mir von Leuten was sagen lassen, die eine ganze Ecke dümmer waren als ich. Hab’ auf meine Pension nach fünfundzwanzig Dienstjahren hingearbeitet, so daß meine Frau und ich auf Reisen gehen könnten. Vor zwei Jahren war sie so unhöflich, mich zu verlassen. Der Schlag hat sie getroffen, und aus war’s mit ihr. Habe einen Sohn bei der Armee, drüben in Deutschland, hat eine Deutsche geheiratet, kommt nie nach Haus. Also hab’ ich mir die letzten beiden Jahre meine eigenen Regeln gezimmert. Die letzten sechs Monate ging’s mir sogar gut. Verstehen Sie?«
Milo bestätigte es mit einem langen, langsamen Nicken.
Bayliss lächelte, setzte wieder seinen Helm auf. »Solange das klar ist.«
»Das ist klar«, betonte Milo.
Weitere Kostenlose Bücher