SÄURE
gebeten, er solle sich ab und zu sehen lassen, bis er eine feste Wohnung hatte. Die haben sich eine Rückendeckung besorgt, nur für den Fall des Falles. Sie achten alle peinlich genau darauf, die Vorschriften einzuhalten. Wenn dann etwas schiefgeht und die Familienangehörigen des Opfers auf die Barrikaden gehen, können sie Belege vorweisen und zeigen, daß sie es richtig gemacht haben. Also war es nur einfach eine Formalität, und er hätte sich gar nicht darum zu kümmern brauchen, aber er hat es trotzdem getan. Ehrlich gesagt, ich wollte, ich hätte mehr solche Figuren wie ihn gehabt. Gegen Ende hatte ich dreiundsechzig Halunken am Hals, und ein paar von ihnen mußte man wirklich scharf im Auge behalten.«
Milo sagte: »Eine Bewährungszeit dauert normalerweise drei Jahre. Wieso hatte er sechs?«
»Das war ein Teil der Abmachung. Als er aus San Quentin herauskam, bat er darum, Kalifornien verlassen zu dürfen. Das Department willigte ein, aber dann müßte er einen ordentlichen Wohnsitz und eine Beschäftigung nachweisen und bekäme die doppelte Bewährungszeit aufgebrummt. Er fand irgendein Indianerreservat, ich glaube in Arizona. Dort hat er drei Jahre abgeleistet, ist dann irgendwoanders hin, in einen anderen Staat - ich weiß nicht genau welchen - gezogen und hat dort die anderen drei hinter sich gebracht.«
»Wieso ist er umgezogen?« fragte ich.
»Soweit ich mich erinnere«, sagte er, »wurde die erste Stelle mit einer Spende finanziert, die dann gestrichen wurde, also mußte er da weg. Die zweite Station gehörte den Katholiken, - ich schätze, er dachte, solange der Papst die Stelle nicht streicht, hat er dort seine Ruhe.«
»Weshalb ist er denn nach L.A. gekommen?«
»Das habe ich ihn auch gefragt, und er hat mir keine richtige Antwort darauf gegeben, jedenfalls keine, die mir eingeleuchtet hätte. Irgendwas mit Erbsünde, eine Menge Hokuspokus von wegen Erlösung. Im Grunde wollte er wohl sagen, daß er gesündigt hatte, in bezug auf Ihre verschwundene Dame, und daß er deshalb hier ein guter Junge sein müsse, um die Rechnung beim Allmächtigen zu begleichen. Ich habe ihn nicht zu einer Antwort gedrängt, wie gesagt, er war nicht einmal verpflichtet, sich bei mir sehen zu lassen. Es war eine Formalität.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, was er mit seiner Zeit angefangen hat?«
»Soweit ich weiß, war er drüben bei dieser Mission, Vollzeit. Hat Toiletten geputzt und Teller gespült.«
»Eternal Hope?«
»Ja, genau. Hat sich wieder was Katholisches gesucht. Soweit ich weiß, hat er sein Zimmer niemals verlassen, hat sich nie mit bekannten Kriminellen zusammengetan oder Drogen genommen. Der Priester hat mir das am Telefon bestätigt. Wenn ich dreiundsechzig von seiner Sorte gehabt hätte, war’ mein Job ein Kinderspiel gewesen.«
»Hat er nie über sein Verbrechen gesprochen?« fragte ich.
»Ich habe mit ihm darüber geredet, als er das erstemal zu mir gekommen ist. Habe ihm aus dem Urteil vorgelesen, wo der Richter ihn ein Monster nennt und all das. Ich hab’ das am Anfang immer gemacht, bei allen. Da war der Fall von vornherein klar, und sie wußten, daß ich mich bei ihnen auskannte, damit sie gar nicht erst auf dumme Gedanken kamen. Die meisten von ihnen, wenn sie aus dem Knast kommen, behaupten immer noch, sie wären unschuldig wie das Jesusbaby. Man ist bemüht, diesen Täuschungsversuch zu durchkreuzen, sie müssen endlich einsehen, was los ist, wenn es für sie Hoffnung geben soll. Genau wie bei der Psychoanalyse, stimmt’s?«
Ich nickte.
»Hat McCloskey dann schließlich das Verbrecherische seiner Tat eingesehen?« fragte Milo.
»Das brauchte er nicht erst einzusehen. Er kam völlig zerknirscht an, sagte mir, er wäre nichts wert und er verdiente es nicht zu leben. Ich habe ihm gesagt, das stimme wahrscheinlich, und dann habe ich ihm die Urteilsbegründung laut vorgelesen. Er hat einfach nur da gesessen und es geschluckt, als ob’s irgendeine medizinische Behandlung wäre, die gut für ihn war. Einen toteren Vögel habe ich nie gesehen. Nachdem er ein paarmal dagewesen war, fing er sogar an, mir leid zu tun, so wie einem ein Hund leid tut, den ein Auto überfahren hat. Und in solchen Sachen bin ich nicht besonders sentimental. Ich habe lange gegen meine Sympathie angekämpft.«
»Hat er jemals gesagt, weshalb er sie verbrannt hat?« fragte Milo.
»Mitnichten«, sagte Bayliss, »und ich habe ihn deshalb auch gefragt. Denn in seiner Akte stand, er hätte niemals irgendein
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