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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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»Wenn Sie mir irgend etwas über McCloskey erzählen können, das uns helfen könnte, Mrs. Ramp zu finden, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
    »Der gute alte Joel«, sagte Bayliss. Er berührte seinen Kinnbart, starrte Milo an. »Wissen Sie, in diesen fünfundzwanzig Jahren hat es oft Augenblicke gegeben, in denen ich auch mal gern jemandem eins reingewürgt hätte. Hab’ ich nie getan, wegen der Pension, der Reise, die meine Frau und ich machen wollten. Als Sie dem Schreibtischfatzken eine verpaßt haben, habe ich mich gefreut. Ich war in keiner guten Stimmung, mußte daran denken, was passiert war und was nicht. Ihretwegen hab’ ich lachen müssen, hat für den ganzen Abend gelangt. Deshalb erinnere ich mich an Sie.« Er lächelte. »Komisch, daß Sie hier jetzt aufkreuzen. Muß das Schicksal sein. Kommen Sie rein ins Haus!«
    Sein Wohnzimmer war dunkel, penibel aufgeräumt und mit verschnörkelten Möbeln eingerichtet, die nicht alt oder gut genug aussahen, um Antiquitäten zu sein. Massenhaft Zierdecken, Statuetten und Anzeichen einer Frau im Haus. An der Wand über dem Kaminsims fanden sich gerahmte Schwarzweißphotos von Big Bands und Jazz Combos, die Musiker waren alle schwarz, und eine Großaufnahme von dem jungen, glattrasierten, pomadisierten Bayliss in einer weißen Smokingjacke mit gestärkter Hemdbrust und Krawatte, in der Hand eine Zugposaune.
    Er sagte: »Das war meine erste Liebe, klassische Ausbildung an der Juilliard Academy, aber niemand stellte farbige Posaunisten ein, so hab’ ich mich an Swing und Bebop gehalten, bin durch die ganzen Staaten getingelt, fünf Jahre lang mit Skootchie Bartholomew. Je von ihm gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Er lächelte. »Keiner kennt ihn. Ehrlich gesagt, die Band war nicht so gut, haben vor jedem Auftritt Heroin gedrückt und dachten, sie spielten besser, als sie es tatsächlich taten. Ich wollte nicht so leben, also hab’ ich Schluß gemacht, bin hierher gekommen, hab’ getutet für jeden, der zuhören wollte, war bei ein paar Aufnahmen dabei. Hören Sie sich mal ›Magic Love‹ von den Sheiks an, auch wieder so ein Doo-Wop-Blödsinn, im Hintergrund, das bin ich! Schließlich hab’ ich bei Lionel Hampton mitspielen dürfen.«
    Er ging hinüber und tippte auf eines der Photos. »Das bin ich, in der ersten Reihe. Die Band war volle Power, echt starke Bläser-Section. Wenn man mit denen spielte, dann war das, als ob man auf einem Bläser-Hurricane ritt, aber ich hab’ okay gespielt, Lionel hat mich behalten. Dann ließ das Geschäft für Big Bands nach, und Lionel ging mit der ganzen Band nach Europa und Japan rüber. Ich fand das witzlos, kehrte aufs College zurück und schlug die Beamtenlaufbahn ein. Habe seither nicht mehr gespielt. Meine Frau mochte die Bilder… Ich muß sie wegnehmen, mir irgendwelche richtige Kunst besorgen. Wollen Sie einen Kaffee?«
    Beide lehnten wir ab.
    »Setzen Sie sich, wenn Sie möchten.«
    Wir setzten uns, Bayliss nahm in einem weich aussehenden Sessel mit Blumenmuster und spitzenbesetzten Sesselschonern Platz.
    »Der gute alte Joel«, sagte er. »Würde mir über ihn in Sachen Schwerverbrechen keine zu großen Sorgen machen.«
    »Wieso nicht?« fragte Milo.
    »Er ist ein Nichts.« Bayliss tippte sich an den Kopf. »Nichts da oben drin. Als ich seine Akte gelesen hatte, rechnete ich mit einem gefährlichen Psychopathen. Und dann kommt dieses magere kleine Nichts herein, sagt nur immer ›Yes, Sir‹ und ›No, Sir‹, kein bißchen Mumm mehr in den Knochen. Und ich meine damit nicht Stiefellecker, nicht die übliche Tour, die man bei einem aktiven Psychopathen erlebt, - Sie wissen schon, wie die den Eindruck zu erwecken versuchen, sie wären prächtige Kerle. Jeder Witzbold, mit dem ich in den letzten fünfundzwanzig Jahren zu tun hatte, dachte, er hätte einen Oscar verdient, gerissener als irgendwer sonst. Brauchte nur seine Schau abzuziehen, und keiner blickte bei ihm mehr durch.«
    »Das stimmt«, sagte Milo, »obwohl es selten funktioniert.«
    »Ja, komisch, daß die niemals überlegen, wieso sie den größten Teil ihres Lebens in Zellen von zwei mal zwei Metern zubringen. Aber der alte Joel war anders, er hat einem nichts vorgespielt, - der Mann war leergeräumt. Natürlich, wenn Sie ihn gerade besucht haben, wissen Sie das.«
    »Wie oft hat er sich bei Ihnen gemeldet?« fragte ich.
    »Nur ein paarmal, vier, fünf Mal. Als er nach L.A. kam, war er offiziell gar nicht mehr auf Bewährung. Das Department hat ihn

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