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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Angst zu haben. Sie war im Grunde fast aggressiv. Aber ich mochte sie, sie war freundlich, sie mochte mein Essen. Und sie kam die ganze Zeit über her. Ich war richtig froh, daß ich eine regelmäßige Kundin hatte. Dann eines Tages, mitten aus heiterem Himmel, hörte es einfach auf.« Sie schnippte mit den Fingern. »Einfach so.
    Ich fand das merkwürdig, vor allem, weil sie nichts darüber gesagt hatte, daß sie mit der Behandlung fertig wäre. Als Sie sagten, diese andere Frau wäre verschwunden, hat mich das irgendwie daran erinnert, obwohl Kathy nicht in diesem Sinne verschwunden ist, sie ist einfach nicht mehr hergekommen. »Wie lange ist das denn her?«
    Sie dachte nach. »Ungefähr einen Monat. Zuerst dachte ich, es wäre irgend etwas mit dem Essen, aber sie ist auch nicht mehr drüben gewesen. Ich kannte ja ihren Wagen. Sie hatte ihre regelmäßigen Zeiten: Montags und donnerstags nachmittags, wie ein Uhrwerk. Um Viertel nach drei kam sie herein und bestellte eine Engelhaar-Pasta oder Muscheln, einen Cappuccino Royal und ein Rosinencroissant. Ich habe mich darüber gefreut, weil das Geschäft ehrlich gesagt noch nicht besonders gut läuft, - wir warten immer noch auf den großen Ansturm. Mein Mann erzählt mir schon seit drei Monaten, er hätte es mir ja gesagt. Ich habe letzte Woche den Sonntags-Brunch eingeführt, aber irgendwie hat es die Toten noch nicht aufgeweckt.«
    Ich schnalzte voller Mitgefühl mit der Zunge.
    Sie lächelte. »Ich habe den Laden hier La Mystique genannt, weil es geheimnisvoll klingt. Er sagt, das einzige Geheimnis ist, wann ich pleite bin; also muß ich ihm beweisen, daß er sich irrt. Deshalb habe ich mich besonders über Kathys Besuche gefreut. Ich frage mich immer noch, was mit ihr geschehen ist.«
    »Erinnern Sie sich an ihren Nachnamen?«
    »Wieso?«
    »Ich versuche gerade alle zu erreichen, die die Mutter meiner Patientin kannten. Man weiß nie, aus welcher Kleinigkeit man noch etwas erfahren kann.«
    Sie zögerte. Dann: »Einen Augenblick!«
    Sie steckte den Scheck ein, ging zurück in die Küche. Während ich wartete, sah ich hinüber zur Klinik. Niemand ging hinein oder kam heraus, keine Andeutung von Leben hinter den Fenstern.
    Sie kam mit einem gelben Notizzettel zurück. »Das ist die Adresse von Kathys Schwester. Sie hat sie mir anfangs als Sicherheit gegeben, weil sie mit Schecks bezahlte und weil ihre Schecks nicht aus Kalifornien waren. Ich habe sie sogar anrufen wollen, aber ich bin nie dazu gekommen. Wenn Sie mit ihr sprechen, bestellen Sie ihr viele Grüße, sagen Sie von Joyce.«
    Ich nahm den Zettel und las. Sauber mit einem roten Filzstift gemalte Druckbuchstaben:
     
    Kathy Moriarty ¢o Robbins 2012 Ashbourne Drive South Pasadena
    Eine Telefonnummer, die mit 795 anfing. Ich steckte den Zettel in die Brieftasche, stand auf und sagte: »Danke, alles war großartig.«
    »Sie haben doch nur Erdbeeren und Kaffee gehabt. Kommen Sie irgendwann mal wieder, wenn Sie hungrig sind. Wir sind gut, wirklich!« Sie kehrte zu ihrem Tisch und der Zeitung zurück.
    Ich stand auf, blickte aus dem Fenster, sah eine Bewegung. Eine stattlich aussehende grauhaarige Frau stieg in den Lincoln. Der Station-Wagon fuhr bereits vom Bordstein weg. Zeit für ein Gespräch mit Dr. Ursula.
    Aber dann geschah etwas, das mich von dem Gedanken abbrachte. Der Saab schoß rückwärts aus der Einfahrt heraus, kam kurz zu einem Halt und jagte dann in Richtung Norden los, so schnell, daß ich kaum einen Blick auf das verzerrte, schöne Gesicht der Fahrerin zu werfen vermochte. Bis ich mich hinter das Steuer meines Seville geklemmt hatte, war sie längst außer Sicht.
    Ich saß eine Zeitlang da und grübelte, was sie wohl weggelockt hatte. Dann öffnete ich das Handschuhfach, nahm meinen Thomas-Stadtplan heraus und schaute nach, wo der Ashbourne-Drive lag.
    Das Haus war großzügig proportioniert, etwas älter, im Tudorstil errichtet. Es stand auf einem großen, von Ahornbäumen und Fichten bestandenen Grundstück ohne Tor. In der Einfahrt parkte ein Plymouth-Lieferwagen, umgeben von einem Sammelsurium von Kinderfahrrädern und Spielzeug.
    Ich läutete, die kleine Tür ging auf, und ein Paar dunkler Augen lugte heraus. Drinnen jaulte ein Zeichentrickfilmton im Fernseher. Die Augen wurden schmal.
    »Dr. Delaware möchte gern mit Mrs. Robbins sprechen, bitte.«
    »Augenblick mal«, kam es mit gedehntem Südstaatenakzent.
    Ich wartete, strich meine Kleidung glatt und fuhr mir mit den Fingern durchs

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