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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sich die Kundschaft nicht gerade in ihren Laden drängte. Ich nahm noch einen Schluck und fing an, mich mit der Erdbeere zu beschäftigen.
    Sie zögerte einen Augenblick, ging in die Küche und begann eine Diskussion mit dem Koch.
    Ich sah wieder aus dem Fenster, warf einen Blick auf meine Armbanduhr: fünf nach halb drei. Nicht mehr ganz eine halbe Stunde bis zu dem Augenblick der Wahrheit. Was würde ich zu Ursula Gabney sagen?
    Die Besitzerin kam mit der Sonntagszeitung unter dem Arm aus der Küche, setzte sich an einen der Tische und fing an zu lesen. Als sie den ersten Teil weglegte und den Mittelteil aufhob, trafen sich unsere Augen. Sie senkte hastig den Kopf. Ich schluckte rasch den Rest meines Kaffees hinunter. Ohne aufzustehen fragte sie: »Noch etwas?«
    »Nein, danke.«
    Sie brachte mir die Rechnung. Ich reichte ihr eine Kreditkarte. Sie nahm sie, starrte sie an, kam mit einem Zettel wieder und fragte: »Sie sind Doktor?«
    Da wurde mir klar, wie ich auf sie gewirkt haben mußte: unrasiert und angezogen mit Sachen, in denen ich geschlafen hatte. Ich sagte: »Ich bin Psychologe. Da ist eine Klinik quer über die Straße. Ich will dort hin, um mit einer Ärztin zu sprechen.«
    »Aha«, sage sie und sah mich an, als ob sie es bezweifelte.
    »Keine Angst«, beruhigte ich sie und setzte mein bestes Lächeln auf, »ich bin keiner von den Patienten. Habe die Nacht durchgearbeitet - ein Notfall.«
    Das schien sie vollends mißtrauisch zu machen, deshalb holte ich meine Zulassung und die Karte von der medizinischen Fakultät heraus, »Ehrenwort!«
    Sie entspannte sich ein bißchen, sagte: »Was machen die denn eigentlich da drüben?«
    »Weiß ich auch nicht so genau«, sagte ich. »Haben Sie mit denen irgendwelche Probleme gehabt?«
    »Oh nein, man sieht bloß kaum Leute da drüben aus und eingehen. Und nirgendwo gibt es ein Schild, auf dem steht, was da gemacht wird. Ich wüßte nicht mal, was es ist, wenn es mir nicht eine meiner Kundinnen erzählt hätte. Deshalb frage ich mich einfach, was die da wohl machen.«
    »Ich weiß es selbst auch nicht genau. Ich bin auf die Arbeit mit Kindern spezialisiert. Eine meiner Patientinnen ist die Tochter einer Frau, die dort behandelt wurde. Vielleicht haben Sie sie mal gesehen, sie kam immer in einem alten Rolls-Royce, in Schwarz und Grau.«
    Sie nickte. »Ich habe einen solchen Wagen ein paarmal gesehen, aber ich habe nie bemerkt, wer ihn fuhr.«
    »Die Frau, der er gehörte, ist vor ein paar Tagen verschwunden. Es ist ziemlich hart für das Kind. Ich bin hergekommen, um möglichst etwas zu erfahren.«
    »Verschwunden? Wie meinen Sie?«
    »Sie ist zur Klinik losgefahren, aber nie angekommen und wurde nicht mehr gesehen.«
    »Oh!«
    Ich sah zu ihr hoch, fummelte an dem Scheck herum. »Wissen Sie…«, begann sie, dann schüttelte sie den Kopf. »Was ist?«
    »Nichts - Es ist wahrscheinlich nichts. Ich sollte mich da nicht einmischen, in Sachen, die mich nichts angehen…«
    »Wenn Sie irgend etwas wissen…«
    »Nein«, sagte sie emphatisch, »es hat nichts mit der Mutter Ihrer Patientin zu tun, sondern mit einer anderen von den Patientinnen, der Kundin, die ich erwähnt habe. Der, die mir gesagt hat, was da drüben ist. Sie ist oft hergekommen. Ich hatte zwar nicht den Eindruck, daß ihr irgendwas fehlte. Aber sie erzählte mir, sie hätte Angst gehabt, aus dem Haus zu gehen, eine sogenannte Phobie, und darum ginge sie dorthin und ließe sich behandeln. Sie sagte, es ginge ihr schon viel besser, und man hätte meinen sollen, daß sie das Haus da drüben, die Klinik, beinahe mochte. Aber das schien nicht der Fall zu sein, aber bezeugen tue ich nichts. Ich brauche nicht noch mehr Kopfschmerzen.« Sie berührte den Scheck. »Sie müssen immer noch addieren und unterschreiben.«
    Ich tat es und addierte ein Trinkgeld von fünfundzwanzig Prozent.
    »Danke sehr«, sagte sie.
    »War mir ein Vergnügen. Wieso fanden Sie, daß diese Frau die Klinik nicht mochte?«
    »Wegen der Art, wie sie redete. Sie hat mich regelrecht ausgefragt, über die da drüben.« Sie warf einen Blick hinüber. »Nicht beim erstenmal, sondern nachdem sie ein paarmal hiergewesen war.«
    »Was für Fragen hat sie denn gestellt?«
    »Seit wann die da drüben schon da wären. Ich hatte keine Ahnung, bin selbst gerade erst eingezogen. Ob die Ärzte oder irgendwelche Patienten je hierherkämen, - die Frage war leicht zu beantworten: nicht ein einziges Mal. Außer Kathy, so hieß sie, sie schien vor nichts

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