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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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reagiert: ›Sie ist kalt. Ich spüre, daß sie mich ausschließen will.‹ Eine Reaktion, die alle, auch ich, für überzogen gehalten hatten, denn Melissa war ein überspanntes Kind, plagte sich mit dem Problem der Abhängigkeit und der Trennung herum und fühlte sich von jedem bedroht, der sich ihrer Mutter näherte.
    Kleines Mädchen, das sich vor dem Wolf fürchtet? Hatte irgend etwas davon mit Ginas Schicksal zu tun? - Ein weiterer Besuch in Gabneys Klinik schien mir angebracht, obwohl ich nicht wußte, wie ich mich den Gabneys nähern sollte.
    Sollte ich vielleicht Ginas Karte abholen, ihnen somit das Portogeld ersparen? ›Bin gerade in der Gegend und dachte…‹ Und dann was? Weiß Gott.
    Heute war Sonntag, ich mußte warten. Im Augenblick gab es Lammkoteletts, ein erstklassiges Essen, das war sicher. Nur schade, daß mir der Appetit vergangen war.
    Ich stellte wieder den Zustand her, in dem ich Arthur Dickinsons Schatzkammer vorgefunden hatte, und ging hinunter.

27
    Ich speiste allein in dem großen dunklen Eßzimmer und kam mir mehr wie ein Dienstbote denn wie der Herr des Hauses vor. Als ich es um zehn vor zwei verließ, waren Melissa und Noel immer noch oben im Schlafzimmer und unterhielten sich.
    Eigentlich wolle ich auf direktem Wege nach Hause, als ich bemerkte, daß ich an der Gabney-Klinik vorbeifuhr. Ein metallic grauer Lincoln und ein Mercury Station-Wagon mit Holzseiten waren davor geparkt. Ursulas Saab stand am Eingang der Zufahrt.
    Ginas Therapiegruppe, einen Tag vorverlegt? Dringlichkeitssitzung aus Anlaß ihres Todes? Oder eine andere Gruppe, die der rührige Doktor leitete? - Zwei Uhr. Wenn sie sich an das Zweistundenschema, von eins bis drei, hielten, würde die Sitzung in einer Stunde vorbei sein. Ich entschloß mich, das Haus im Auge zu behalten und Milo anzurufen, während ich wartete.
    Ich suchte ein Telefon. Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite, standen Einfamilienhäuser, weiter nördlich ein Häuserblock mit Läden: ein Restaurant, ein Maklerbüro, ein Süßwarengeschäft und eine Antiquitätengalerie. Das Restaurant war für meine Zwecke am besten geeignet. Ich wendete und parkte genau davor.
    Ein hübsches kleines Bistro, La Mystique stand in mattierten Buchstaben auf dem Schaufenster. Drinnen waren nur zwei Tische besetzt. Eine blonde junge Frau mit auffällig großem Busen kam herbei, in der Hand eine Speisekarte. Sie grüßte: »Hallo. Bitte setzen Sie sich, wo Sie wollen.«
    Ich sah mich um und bemerkte, daß man die Klinik schräg gegenüber von den beiden Tischen am Fenster recht gut beobachen konnte. »Wie wäre es da?« fragte ich, »und haben Sie ein Telefon, das ich benutzen könnte?«
    »Gerade durch bis nach hinten.« Sie deutete auf die Schwingtür links von der Küche. Das Telefon hing an der Wand zwischen den beiden Toilettentüren. Nach zweimaligem Läuten war Milos neue, geschäftsmäßige Ansagestimme am Apparat. Ich sagte ihm, ich hätte ein paar Dinge, die ich gerne mit ihm diskutieren würde, und um vier wäre ich wahrscheinlich wieder bei Melissa zu Hause. Dann rief ich eine Kunstgalerie in Beverly Hills an, mit der ich schon viel zu tun gehabt hatte, und ließ mir den Besitzer geben.
    »Eugene de Long am Apparat.«
    »Eugene, ich bin’s, Alex Delaware.«
    »Hallo, Alex, von dem Marsh habe ich noch nichts gehört. Wir suchen immer noch einen in akzeptablem Zustand.«
    »Danke. Eigentlich rufe ich nur an, um zu hören, ob Sie mir etwas über den Wert eines Bildes sagen können, genauer gesagt sind es zwei, von derselben Künstlerin. Ich benötige nichts Definitives, nur einen Annäherungswert.«
    »Natürlich, wenn es sich um etwas handelt, wo ich Bescheid weiß.«
    »Ein Farbdruck von Mary Cassatt.«
    Einen Augenblick Stille. »Ich wußte nicht, daß Sie mit solchen Sachen handeln.«
    »Ich wollte, es wäre so. Es ist für einen Freund.«
    »Will Ihr Freund kaufen oder verkaufen?«
    »Vielleicht verkaufen.«
    »Ich verstehe«, sagte er, »was für Farbdrucke genau?« Ich erklärte es ihm.
    »Einen Augenblick bitte«, er ließ mich mehrere Minuten warten, bis er zurückkam. »Ich habe hier die neuesten Auktionspreise für vergleichbare Arbeiten. Wie Sie wissen, ist bei Arbeiten auf Papier der Zustand das Entscheidende. Ohne sie zu sehen, kann ich also nichts Genaues sagen. Aber die Zahl der angefertigten Drucke war bei Mary Cassatt gering, - sie war eine Perfektionistin, hatte keine Bedenken, ihre ursprünglichen Gravuren zu eliminieren und noch

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