SÄURE
wobei er einen Manschettenknopf mit eingraviertem Monogramm zum Vorschein brache. Seine Hand war groß, fleischig und überraschend rauh, - er verbrachte die Wochenenden wohl fern des Schreibtischs. Er sagte: »Doktor«, mit dem Krächzen eines Rauchers, die Spitzen zweier Zigarren ragten hinter seinem Kavalierstuch hervor, »Psychologe? Ich brauche ab und zu mal einen bei Gericht.«
Ich nickte und fragte mich, ob das ein Angebot oder eine Drohung war.
Er fragte: »Wie geht’s unserem kleinen Mädel?«
»Das letztemal, als ich sie sah, ruhte sie sich aus. Ich bin gerade auf dem Weg nach oben, um nachzusehen.«
»Cliff Chickering hat mir die schreckliche Neuigkeit erzählt«, sagte Anger, »heute früh, in der Kirche. Jim und ich sind hergekommen, um zu sehen, ob wir irgend etwas tun können. Was für eine fürchterliche Geschichte, ich habe wirklich nicht gedacht, daß es je zu so etwas kommen würde.«
Douse fixierte ihn, als ob Selbstbeobachtung ein Verbrechen wäre, und schüttelte dann im Sinne eines hinausgezögerten Sympathiebeweises den Kopf.
Ich fragte: »Ist die Suche abgeblasen worden?«
Anger nickte. »Cliff sagte, sie hätten vor einigen Stunden mit der Suche aufgehört. Er ist überzeugt, daß sie unten, auf dem Grund des Reservoirs, liegt.«
»Er ist auch davon überzeugt, daß sie sich da selbst hineingebracht hat«, fügte ich hinzu.
Anger machte ein unglückliches Gesicht.
Douse sagte: »Ich habe Mr. Chickering vorgeschlagen, daß jede weitere Theorie durch Fakten abgesichert werden sollte.« Er hob das Kinn und fuhr sich mit dem Finger den Innenrand seines Kragens entlang.
Anger sagte: »Es war ein verdammter Unfall, das ist doch klar. Sie hätte überhaupt nicht da draußen herumfahren sollen.«
Ich sagte: »Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, Gentlemen, ich sehe jetzt mal nach Melissa.«
»Richten Sie ihr unser Beileid aus, Doktor«, sagte Anger. »Wenn sie möchte, daß wir heraufkommen, kommen wir herauf. Andernfalls sind wir jederzeit bereit, wenn sie die Übertragung in Angriff zu nehmen wünscht, sie braucht es nur zu sagen.«
»Um welche Übertragung handelt es sich denn?«
»Um die Übertragung der Vollmachten«, sagte Douse. »So etwas macht vielleicht keinen großen Spaß, gewiß, aber im Grunde sollte man es so schnell wie möglich erledigen. Formalitäten, Verträge müssen aufgesetzt werden. Die Regierung möchte ja etwas zu tun haben, nicht wahr? Alles muß bis aufs i-Tüpfelchen befolgt werden, sonst macht Uncle Sam uns Ärger.«
Anger ergänzte: »Sie ist zu jung, um sich in diesen Dingen zurechtzufinden. Je rascher wir alles unter Dach und Fach bringen, um so besser.«
»Zu jung, um sich in diesen Dingen zurechtzufinden?« fragte ich.
»Zu jung, um sich in den Feinheiten auszukennen«, erklärte Anger. »Die Bürde des Managements.«
»Sie sollte sich in ihrem Alter mit anderen Dingen beschäftigen«, sagte Douse. »Würden Sie, gerade Sie als Psychologe, das nicht auch sagen?«
Mir war, als ob man mich vor einen Unterausschuß des Senats zitiert hätte, und ich fragte: »Sie meinen, daß man ihr nicht die Verwaltung ihres eigenen Geldes überlassen sollte?«
Das Schweigen senkte sich herab wie ein Theatervorhang.
»Es ist eine komplizierte Materie«, sagte Douse. »Eine Menge alberner Vorschriften sind zu beachten.«
»Wegen der Größe des Besitzes?«
Anger spitzte die Lippen und beschäftigte sich mit den alten Meistern an den Wänden, seine Augen sprangen hastig vom einen zum anderen.
Douse sagte: »Wenn Sie mir gegenüber nicht begründen können, daß Sie in dieser Sache mitzureden legitimiert sind, sehe ich mich allerdings leider nicht in der Lage, mit Ihnen über Einzelheiten zu diskutieren, Doktor. Aber ganz allgemein lassen Sie mich folgendes sagen: Ohne einen konkreten Beweis für ein tatsächliches Ableben wird es eine beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen, die Gültigkeit des Erbanspruchs der Hinterbliebenen unumstößlich zu belegen, so daß sie in die Rechte der Verstorbenen eintreten können.« Er hielt ein und beobachtete mich. Als ich mich nicht rührte, fuhr er fort: »Wenn ich sage, eine beträchtliche Zeit, dann meine ich genau das. Wir haben es hier ja doch mit einer Vielzahl von Zuständigkeiten zu tun. Die Stadt, der Staat, der Bund, - alle haben sie aus steuerrechtlichen Gründen ein Wörtchen mitzureden. Und es ist ja nicht nur die Übertragung als solche vorzunehmen. Die vielfältigen Probleme der Vormundschaft haben wir
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