SÄURE
damals. All diese dummen Ausreden, die sie vorgebracht hat, um in der Stadt zu bleiben, und von denen sie dachte, daß ich sie nicht durchschaute… Ich weiß verdammt gut, was los ist. Wollte harte Fakten, um weiteren Lügen zuvorzukommen. So habe ich ein paar Veränderungen an unserer Telefonanlage vorgenommen und angefangen mitzuhören. Ich habe sie belauscht«, sein rundliches Gesicht zitterte, »wie sie Pläne schmiedeten.«
»Was für Pläne?«
»Wegzugehen«, er preßte seine freie Hand auf das Gesicht, als wolle er den Kummer wegbügeln, »zusammen!« Riesenschritte…
Melissa, die die Wahrheit gespürt hatte, sich von Ursulas Besitzanspruch vedrängt fühlte…
Gabney fuhr fort: »So niedrig ist meine Frau gesunken: Sie nahm von ihr ein Kunstobjekt an, ein außerordentlich wertvolles Stück. Wenn das kein unentschuldbarer Bruch der Berufsethik ist, dann weiß ich nicht, was zum Teufel das ist. Finden Sie nicht?«
Ich nickte.
»Geld war auch mit im Spiel«, sagte er. »Für die da spielt Geld gar keine Rolle. Sie ist eine verwöhnte Hure, ihr hat es an nichts gefehlt. Aber meine Frau mußte es korrumpieren, sie stammt aus sehr armen Verhältnissen. Trotz allem, was sie beruflich erreicht hat, ließ sie sich doch immer noch von irgendwelchen hübschen Kleinigkeiten beeindrucken. Da ist sie wie ein Kind. Die Hure wußte das.« Er zeigte auf Gina: »Sie hat ihr regelmäßig Geld gegeben, enorme Summen, für ein geheimes Bankkonto! Sie nannten es ihr Startkapital, kicherten dabei wie dumme Schulmädchen. Kicherten und schmiedeten Pläne, daß sie ihre Pflichten vergessen und sich amüsieren wollten wie die Huren und sich auf irgendwelchen tropischen Inseln herumtreiben wollten. Von der Perversität abgesehen, was für eine Schande! Meine Frau hat eine glänzende Zukunft. Die Hure hat sie verführt und alles zu verderben versucht. Ich mußte einschreiten, die Hure hätte ihr Leben zerstört!« Er drückte einen Knopf der Fernbedienung, Gina flatterte. Ursula sah zu und gab Wimmerlaute von sich.
Gabney schrie sie an: »Halt den Mund, Liebling, oder ich grille ihre Synapsen jetzt gleich und zum Teufel mit dem ganzen Behandlungsplan.«
Tränen flossen Ursulas Wangen hinab. Sie war still.
»Wenn dich das aufregt, Liebling, hast du dir das selbst zuzuschreiben.« Sein Finger hob sich endlich. »Wenn ich ein Egoist wäre, hätte ich sie einfach getötet«, sagte er zu mir, »aber ich wollte ihrem wertlosen, verdorbenen Leben eine-Sinn geben. Und so entschied ich mich, sie anzulernen, al. Stimulus, wie Sie so richtig festgestellt haben.«
»Konditionierung in vivo«, folgerte ich, »im häuslich’ Rahmen.«
»Wissenschaftliche Arbeit für die reale Welt.«
»Also haben Sie sie entführt.«
»Nein, nein«, sagte er, »sie ist freiwillig gekommen.«
»Als Patientin zum Arzt.«
»Richtig.« Er gab ein breites, zufriedenes Lächeln von sich. »Ich habe sie frühmorgens angerufen und von einer Terminplanänderung unterrichtet. Statt der Gruppentherapie sollte sie eine Sitzung mit mir allein, unter vier Augen, haben. Ihre Geliebte Dr. Ursula wäre krank, und ich nähme ihre Aufgaben wahr. Ich sagte ihr, wir würden an diesem Tag einen besonders großen Schritt vorwärts tun, um ihre geliebte Dr. Ursula zu überraschen. Ich instruierte sie, ihren Wagen zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt aus dem Tor ihres Besitzes herauszufahren und mich zwei Querstraßen weiter einsteigen zu lassen. Ich sagte ihr, sie solle den Rolls-Royce nehmen, habe ihr etwas über die Kontinuität des Stimulus erzählt - natürlich weil er getönte Scheiben hat. Sie kam auf die Sekunde pünktlich. Ich ließ sie auf den Beifahrersitz hinüberrutschen und setzte mich hinter das Steuer. Sie fragte mich, wohin wir führen. Ich antwortete nicht. Das rief bei ihr deutlich Angstreaktionen hervor, sie war solchen Unklarheiten noch längst nicht gewachsen. Sie wiederholte ihre Frage. Noch einmal antwortete ich nicht und fuhr weiter. Sie fing an herumzuzucken und heftig zu atmen - die Vorzeichen. Als ich zur Schnellstraße hinauffuhr, brach ihr Angstanfall aus. Ich gab ihr einen Inhalator, den ich mit Chloralhydrat gefüllt hatte, und wies sie an, ganz tief einzuatmen. Sie tat es und war sofort bewußtlos. Das war wunderbar. Ich fuhr neunzig, wollte nicht, daß sie herumfuchtelte und uns in Gefahr brachte. Bewußtlos war sie eine entzückende Reisegefährtin. Ich fuhr bis zum Reservoir am Staudamm, wo mein Landrover auf mich wartete. Ich brachte sie
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