SÄURE
so daß er mir einen scharfen Blick zuwarf. »Obwohl Sie den Umweg machten, blieb Ihnen immer noch reichlich Zeit, sie hier oben zur Behandlung vorzubereiten, auf den Anruf Ihrer Frau zu warten, die Ihnen mitteilte, daß Mrs. Ramp nicht zur Gruppentherapie erschienen ist, ihr zu erklären, daß Sie sich Sorgen machten, nach Pasadena zurückzufahren und in der Klinik aufzutauchen.«
»Wo«, fuhr er fort, »ich die nicht ganz heilsame Erfahrung Ihrer Bekanntschaft machte.«
»Und herauszufinden suchten, wieviel ich über Mrs. Ramp wußte.«
»Wozu sollte ich mir sonst die Mühe geben, mit Ihnen zu reden? Und einen Augenblick lang war ich besorgt, als Sie sagten, sie hätte Pläne gemacht, ein neues Leben anzufangen. Und dann begriff ich, daß Sie nur faselten, überhaupt nichts wußten, das von irgendeiner Bedeutung war.«
»Wann hat Ihre Frau gemerkt, was Sie getan hatten?«
»Als sie aufwachte und sich in diesem Sessel wiederfand.«
Ich erinnerte mich an Ursulas hastige Abfahrt von der Klinik und fragte: »Was haben Sie ihr gesagt, um sie herzubekommen?«
»Ich habe sie angerufen und gesagt, ich sei krank, und sie gebeten heraufzukommen, um sich um mich zu kümmern. Als gute Ehefrau, die sie ist, hat sie darauf prompt reagiert.«
Ich fragte: »Wie werden Sie ihren Patienten gegenüber ihre Abwesenheit erklären?«
»Schwere Grippe. Ich werde mich um die Patienten kümmern, erwarte keine Klagen.«
»Zwei Patientinnen aus der Gruppe verschwunden, nun auch die Therapeutin. In Anbetracht der Ängste, unter denen sie leiden, wird es nicht so einfach sein, sie zu beruhigen.«
»Zwei? Ah«, wissendes Lächeln, »die gute Miss Kathleen, unsere unerschrockene Reporterin? Wie sind Sie denn auf die gekommen?«
Da ich nicht wußte, ob Kathy Moriarty noch lebte oder tot war, sagte ich nichts.
»Nun«, sagte er und sein Lächeln wurde breiter, »wenn Sie glauben, daß Ihre ausweichende Reaktion der Dame helfen wird, schlagen Sie es sich aus dem Kopf. Die gute Miss Kathleen wird nichts mehr berichten, die häßliche kleine Bulldogge. Diese Anmaßung, zu glauben, so etwas Kompliziertes wie eine Agoraphobie ließe sich mir gegenüber simulieren, und dann ihr Versuch, sich mit Drohungen und Anklagen herauszuboxen, als ich sie geschnappt hatte. Sie hat genau in dem Sessel dort gesessen«, er zeigte auf Ursulas, »half mir, meine Technik zu vervollkommnen.«
»Wo ist sie jetzt?« fragte ich und wußte die Antwort.
»In der kalten, kalten Erde, neben Cleofais. Wahrscheinlich das erstemal, daß sie mit einem Mann derart intim geworden ist.«
Ich sah zu Ursula hinüber. Ihre Augen waren weit aufgerissen und starr.
»Also ist alles unter Dach und Fach«, sagte ich, »sehr geschickt.«
»Machen Sie sich nicht über mich lustig!«
»Ich habe nicht vor, mich über Sie lustig zu machen. Im Gegenteil hatte ich den größten Respekt vor Ihrer Arbeit. Hab’ all Ihre Veröffentlichungen gelesen: Schockvermeidung und Fluchtparadigmen, kontrollierte Frustration, Schemata angstinduzierten Lernens. Das hier ist einfach…«, ich zuckte die Achseln.
Er starrte mich lange Zeit an. »Sie würden«, sagte er endlich, »mich doch nicht auf den Arm nehmen wollen?«
»Nein«, sagte ich, »und wenn, was hieße das schon? Was kann ich Ihnen tun?«
»Stimmt«, sagte er und krümmte die Finger, »fünfzehn Sekunden bis zum Durchrösten, das könnten Sie nicht mitansehen. Und ich habe Varianten, die Sie noch gar nicht kennen.«
»Davon bin ich überzeugt. Genauso wie ich glaube, daß Sie die Anwendung Ihrer Geräte für richtig halten, aus wissenschaftlichen Gründen: die Person vernichten, um sie zu retten.«
»Niemand wird vernichtet.«
»Was ist mit Gina?«
»Mit ihr war von Anfang an nicht viel los. Sehen Sie sich doch ihre Lebensweise an: isoliert, egoistisch, korrupt - niemandem nützlich. Indem ich sie benutze, gebe ich ihrem Leben einen Sinn.«
»Ich wußte nicht, daß man ihrem Leben einen Sinn geben muß.«
»Dann begreifen Sie es endlich, Sie Idiot! Das Leben besteht aus Transaktionen, es ist nicht irgendeine seichte, theologische Phantasie. Die Welt wird ausgesaugt bis zum letzten. Die Ressourcen sind begrenzt. Nur die Nützlichen werden überleben.«
»Wer bestimmt, was nützlich ist?«
»Alle, die die Stimuli kontrollieren.«
»Eins sollten Sie sich vielleicht überlegen«, sagte ich, »daß Sie sich trotz all dieser hochtheoretischen Begründungen womöglich gar nicht Ihrer wahren Motive bewußt sind.«
Seine
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