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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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beeinflußt wird. Denn mir geht es gut, und das wird auch so bleiben.«
    Melissa sah wieder zu ihr auf. Ihr Lächeln war breiter geworden, aber es wirkte kalt. Gina blickte an ihr vorbei, als sie sie festhielt.
    Ich sagte: »Melissa, Ihre Mutter hat viel darüber nachgedacht. Sie ist sicher, daß sie allein klarkommt.«
    »Ist sie das?«
    »Ja, das bin ich«, antwortete Gina mit erhobener Stimme, »und ich erwarte von dir, daß du meine Meinung respektierst.«
    »Ich respektiere all deine Meinungen, Mutter, aber das heißt nicht, daß ich mein Leben danach einrichten muß.« Ginas Mund öffnete und schloß sich. »Ich bin kein Baby, Mutter!« Sie lächelte immer noch. »Nein, nein, das bist du nicht. Natürlich nicht. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich dich so genannt habe - alte Gewohnheiten wird man schwer los. Darum geht es hier ja - um die Veränderung. Ich arbeite an meiner Veränderung, du weißt, wie schwer ich daran gearbeitet habe, Melissa. Es bedeutet, ein anderes Leben zu führen, für uns alle. Ich möchte, daß du nach Harvard gehst.«
    Melissa sah mich trotzig an.
    Ich sagte: »Sprechen Sie mit Ihrer Mutter, Melissa.«
    Melissa betrachtete uns beide forschend: »Was geht hier vor?«
    Gina versuchte, sie zu beschwichtigen: »Nichts, Ba…, nichts. Dr. Delaware und ich haben ein sehr gutes Gespräch gehabt. Er hat mir geholfen, mir noch etwas klarer zu werden. Ich kann verstehen, daß du ihn magst.«
    »Kannst du das?«
    Gina wollte antworten, stammelte und schwieg dann.
    Ich sagte: »Melissa, diese Familie macht große Veränderungen durch. Es ist für alle Beteiligten hart. Ihre Mutter sucht nach den richtigen Worten, um Ihnen zu sagen, daß sie wirklich damit fertig wird, damit Sie sich nicht verpflichtet fühlen, sich um sie zu sorgen.«
    »Ja«, sagte Gina, »genau, ich komme wirklich klar, mein Kind. Geh’ hinaus und lebe dein eigenes Leben. Sei du selbst!«
    Melissa rührte sich nicht. Ihr Lächeln war verschwunden. Sie rang die Hände. »Scheint, als ob die Erwachsenen entschieden haben, was für mich am besten ist.«
    »Oh Liebling«, sagte Gina, »das ist überhaupt nicht so!«
    Ich sagte: »Niemand hat irgend etwas entschieden. Wichtig ist, daß Sie beide weiter darüber reden, Sie müssen für einander offenbleiben.«
    Gina sagte: »Das werden wir gewiß. Wir werden es schon schaffen, nicht, mein Schatz?« Sie ging mit ausgestreckten Armen auf ihre Tochter zu.
    Melissa wich bis zur Türöffnung zurück, indem sie den Türrahmen erfaßte. »Das ist großartig«, sagte sie, »einfach großartig.« Ihre Augen sprühten Funken. Sie zeigte mit dem Finger auf mich. »Das habe ich nicht von Ihnen erwartet!«
    »Liebling!« sagte Gina.
    Ich stand auf.
    Melissa schüttelte den Kopf und streckte die Hände aus, die Handflächen nach vorn. Ich sagte: »Melissa!«
    »Aufhören, aufhören!« Sie zitterte vor Wut und lief hinaus.
    Ich streckte den Kopf zur Tür hinaus und sah sie mit wehenden Haaren den Korridor hinunterrennen. Ich überlegte, ob ich ihr folgen sollte, beließ es aber dabei und sah wieder Gina zu. Ich versuchte, mir irgend etwas Tiefgreifendes einfallen zu lassen.
    Aber ihr war offensichtlich nicht zum Zuhören zumute. Dir Gesicht war bleich geworden, und sie preßte die Hände an die Brust. Dir Mund war geöffnet, sie rang nach Atem. Ihr Körper fing an zu zittern. Das Zittern wurde stärker. Ich eilte zu ihr. Sie stolperte rückwärts, schüttelte den Kopf, wehrte mich mit wildem Blick ab.
    Sie faßte in eine der Taschen ihres Kleides und suchte, wie mir vorkam, endlos lang. Schließlich zog sie einen kleinen L-förmigen Inhalator hervor. Sie steckte das kurze Ende in den Mund, machte die Augen zu und versuchte die Lippen um das Gerät zu schließen. Aber ihre Zähne klapperten gegen das Plastik, und sie hatte Mühe, es in ihrem Mund zu behalten. Unsere Blicke trafen sich, aber ihre Augen waren glasig, und ich wußte, daß sie irgendwoanders war. Schließlich gelang es ihr zu inhalieren. Sie drückte einen metallenen Knopf an der Spitze des langen Endes des Inhalators hinunter. Ein leises Zischen ertönte. Sie griff nach einer Kante des zweisitzigen Sofas, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und hielt mehrere Sekunden lang den Atem an, bevor sie das Gerät herausnahm und auf der Couch zusammenbrach.
    Dire Brust hob und senkte sich. Ich setzte mich neben sie, sie zitterte immer noch, ich konnte die Vibrationen fühlen, die sich durch die Sofapolster übertrugen. Sie atmete mit

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