SÄURE
zusammenlebt, Liebling. Jedenfalls bin ich sicher, daß sie ziemlich bald wieder hier sein wird, vielleicht sind sie nur tanken gefahren.«
Der jüngere Mann betrachtete eine Jadeschale und schien von ihr so hingerissen, daß sein Interesse nicht echt sein konnte. Er hob sie hoch, setzte sie hin, hob sie wieder hoch.
Gina wandte sich zu ihm. »Wie geht es Ihnen heute, Todd?«
Die Schale wurde abgesetzt. »Prachtvoll, Mrs. Ramp, und Ihnen?«
»Es geht so, Todd. Wie war Don heute?«
Der blonde Mann zeigte sein Zahnpastalächeln und meinte: »Die Bewegungen hat er drauf, jetzt braucht er sich nur noch anzustrengen.«
Ramp streckte sich stöhnend: »Diese alten Knochen rebellieren gegen Anstrengungen.« Er wandte sich an mich. »Doktor, das ist Todd Nyquist, mein Trainer, Tennislehrer und allgemeiner Großinquisitor.« Nyquist grinste: »Doktor.«
Ramp sagte: »Ich leide nicht nur, ich bezahle auch noch dafür.«
Obligates Lächeln auf allen Gesichtern.
Ramp sah seine Frau an. »Bist du sicher, daß ich nichts tun kann, Schätzchen?«
»Nein, Don, wir werden einfach warten. Sie müssen bald zurück sein. Noel ist noch nicht fertig, oder?«
Ramp sah auf den Hof hinaus. »Sieht nicht so aus. Der Isotta und der Delahaye müssen beide gewachst werden, und er hat sie bisher nur gewaschen.«
»Okay«, sagte Gina, »also sind sie wahrscheinlich tanken gefahren. Sie werden gleich zurück sein, und dann werden Dr. Delaware und ich wieder dort anfangen, wo wir aufgehört haben. Geh du unter die Dusche, mein Herr, und mach dir keine Sorgen!«
Gepreßte Stimme; alle waren sie nervös und betrieben angestrengt irgendwelchen Small talk.
Ich kam mir vor, als wäre ich in eine Gemeinschaftsproduktion von Noel Coward und Edward Albee geraten.
Gina fragte: »Möchte jemand einen Drink?«
Ramp tippte auf sein Zwerchfell. »Nicht für mich, ich gehe duschen. Schön, Sie kennengelernt zu haben, Doktor. Vielen Dank für alles.«
Ich sagte: »Kein Problem«, und fragte mich, wofür er sich bedankte.
Er wischte sich mit einem Zipfel seines Handtuchs das Gesicht ab, zwinkerte niemandem im besonderen zu und schickte sich an zu gehen. Dann blieb er doch noch stehen und sah über die Schulter zu Nyquist hinüber. »Halt die Ohren steif, Todd. Wir sehen uns am Mittwoch, wenn du mir versprichst, daß du die Daumenschrauben ausläßt.«
»Darauf können Sie sich verlassen, Mr. Ramp«, sagte Nyquist und grinste wieder. Zu Gina sagte er: »Ich könnte eine Pepsi gebrauchen, Mrs. Ramp, oder irgendwas sonst, das kalt und süß ist.«
Ramp sah ihn immer noch an, zögerte, ging dann aber doch weiter.
Nyquist beugte die Knie, streckte den Hals, fuhr sich mit den Fingern durch die Mähne und prüfte die Bespannung seines Tennisschlägers.
Gina sagte: »Madeleine wird Ihnen etwas zubereiten.«
Nyquist sagte: »Na klar«, aber sein Grinsen erstarb.
Sie ließ ihn stehen und begleitete mich zum vorderen Teil des Hauses.
Wir saßen in dicken alten Klubsesseln in einer der Hallen, umgeben von genialen und phantasievollen Werken. Jeder Fußbreit, der nicht mit Kunst gefüllt war, wurde von einem Spiegel eingenommen. Fast erdrückt von all den Polstern und Kissen kam ich mir wie Däumling im Reich der Riesen vor.
Gina schüttelte den Kopf und sagte: »Was für ein Desaster! Wie hätte ich es denn besser machen können?«
Ich sagte: »Sie haben es gut gemacht. Sie braucht Zeit, sich umzugewöhnen.«
»Sie hat aber nicht soviel Zeit, Harvard muß benachrichtigt werden.«
»Wie gesagt, Mrs. Ramp, es ist vielleicht nicht realistisch, von ihr zu erwarten, daß sie vor Ablauf der Frist innerlich bereit dazu ist.«
Sie antwortete nicht darauf.
Ich sagte: »Nehmen wir mal an, sie verbringt ein Jahr hier, sieht, wie Ihr Zustand sich bessert, gewöhnt sich an die Veränderungen, dann kann sie immer noch im zweiten Studienjahr nach Harvard überwechseln.«
»Mag sein«, sagte sie, »aber ich möchte wirklich, daß sie geht - nicht meinetwegen!« Sie berührte ihre verbrannte Gesichtshälfte. »Ihretwegen, sie braucht das, sie muß hier mal weg, aus diesem Haus: Es ist so - das hier ist eine Welt für sich. All ihre Bedürfnisse werden hier befriedigt, alles wird für sie getan, das kann einen Menschen verkrüppeln.«
»Klingt, als ob Sie Angst haben, daß sie nie mehr weggehen wird, wenn sie es jetzt nicht tut.«
Sie seufzte. »Trotz alledem hier«, sagte sie und nahm den Raum in sich auf, »trotz all der schönen Dinge hier kann die Wirkung
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