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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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daß sie ihren Mann verloren hat, daß sie hier festsitzt wegen ihrer Probleme. Das ist ein riesiges Pulverfaß, stimmt’s? Bei dem Streit mit ihrer Tochter hat es sich schließlich entzündet - die Kleine hat ein Wort zuviel gesagt. Mammi hat lange darauf gewartet, daß sie zurückkam, und als sie es nicht tat, da dachte sie ›zum Teufel mit der ganzen Reiselektüre, ich will endlich mal was von der Welt sehen‹.«
    Ich sagte: »Angenommen du hast recht, glaubst du, daß sie zurückkommen wird?«
    »Wahrscheinlich. Sie hat nicht viel mitgenommen, aber wer weiß?«
    »Also was jetzt? Noch mehr Beruhigungstherapie?«
    »Nicht ›mehr‹, wir haben noch gar nicht angefangen. Als ich mir das Zimmer angesehen habe, war das echt. Ich wollte mir ein Bild von ihrer Persönlichkeit machen - als ob es der Schauplatz eines Verbrechens wäre. Und weißt du, ich habe ja schon eine Menge blutbespritzte Zimmer gesehen, aber der Raum da - kommt mir einfach gespenstisch vor. Ich fand ihn - leer, hatte ein komisches Gefühl. Ich hab’ Dschungel in Asien erlebt, wo ich dieses Gefühl hatte, Totenstille, und dabei spürtest du, unter der Oberfläche geht etwas vor sich.«
    Er schüttelte den Kopf. »Hör dir das an: ›gespenstisch‹ und ›Totenstille‹ - das klingt wie von so einem New-Age-Arschloch.«
    »Nein«, sagte ich, »ich hatte auch dieses Gefühl. Als ich gestern hier war, hat mich das Haus an ein leeres Hotel erinnert.«
    Er rollte die Augen, verzog das Gesicht zu einer scheußlichen Grimasse, krümmte die Finger zu Klauen und kratzte in der Luft herum. »Se Rrrich Hotel«, sagte er mit einem Akzent á la Lugosi, »sie kommen hier an, aber raus kommen sie nicht.«
    Ich lachte, völlig geschmacklos. Aber so grausam es war, ich hatte dabei ein gutes Gefühl. Es erinnerte mich an meine Zeit im Krankenhaus und die Witze, die man sich dort bei den Ärztemeetings erzählte.
    Er sagte: »Ich glaube, am besten nehme ich mir für diese Sache ein paar Tage Zeit. Wahrscheinlich ist sie dann inzwischen wieder da. Die Alternative wäre, hier sofort aufzuhören, aber dann würden die beiden, Melissa und Ramp, sich nur unnötig aufregen und zu irgend jemand anderem rennen. Bei mir werden sie wenigstens nicht aufs Kreuz gelegt. Ich kann die siebzig pro Stunde schließlich auch ganz gut gebrauchen.«
    »Das wollte ich dich gerade fragen«, sagte ich, »du hattest mir doch fünfzig gesagt.«
    »Ja, damals, aber als ich das Haus gesehen habe und dann das Innere… Jetzt tut es mir leid, daß ich nicht neunzig verlangt habe.«
    »Gleitende Skala?«
    »Absolut, kleine Umverteilung. Eine halbe Stunde in diesem Haus, und ich wähle sozialistisch.«
    »Vielleicht hatte Gina auch so ein Gefühl«, sagte ich. »Wie meinst du das?«
    »Du hast gesehen, wie wenige Kleider sie besitzt. Und das Wohnzimmer, wie sie es sich neu eingerichtet hat, Bestellung nach dem Katalog. Vielleicht wollte sie einfach hier raus!«
    »Oder vielleicht war es nur ein umgekehrter Snobismus, Alex. Wie wenn man teure Kunstgegenstände hat und sie auf den Dachboden trägt.«
    Ich wollte ihm gerade von dem Mary-Cassatt-Bild in Ursula Cunningham-Gabneys Praxis erzählen, aber ich wurde von Melissa unterbrochen, die mit zwei Gläsern zurückkam. Auf dem Absatz folgten ihr Madeleine und zwei kleine untersetzte hispanische Frauen Mitte dreißig in ihrer weißen Dienstkleidung. Sie wirkten hellwach und müde zugleich, wie Reisende, die in einem feindlichen Hafen durch den Zoll müssen.
    »Das ist Detective Sturgis«, erklärte Melissa und gab uns die Gläser. »Er ist hier, um herauszubekommen, was Mutter zugestoßen ist. Detective, ich darf Ihnen Madeleine de Couer, Lupe Ortega und Rebecca Maldonado vorstellen.«
    Milo sagte: »Meine Damen.«
    Madeleine verschränkte die Arme über der Brust und nickte. Die anderen beiden Frauen starrten ihn an.
    Melissa sagte: »Wir warten auf Sabino, den Gärtner. Er wohnt in Pasadena, er wird wohl bald hier sein.« Zu uns: »Sie haben in ihren Zimmern gewartet. Ich sah keinen Grund, weshalb ich sie nicht herholen sollte, oder warum Sie nicht gleich damit anfangen sollten. Ich habe sie schon gefragt -« Sie wurde von dem Läuten der Türglocke unterbrochen. »Einen Augenblick«, entschuldigte sie sich und rannte die Treppe hinunter. Ich sah ihr vom oberen Treppenabsatz nach, bis sie an der Tür ankam. Bevor sie sie erreichte, öffnete Ramp sie.
    Sabino Hernandez kam herein, gefolgt von seinen fünf Söhnen, alle sechs in Sporthemden mit

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