Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Wichtiges sagen. Safa und ich werden heiraten, wenn wir groß sind.«
Lachend schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen. »Leon, du bist erst vier Jahre alt, und Safa ist gerade mal sieben«, erklärte ich meinem Baby. »Ihr habt noch jede Menge Zeit.«
Leon blickte mich ernst an, seine Unterlippe bebte vor Aufregung.
Safa, die wortlos neben ihm stand, verdrehte die Augen und prustete los: »Frag mich in zehn Jahren noch mal, dann bist du immer noch vier Jahre jünger als ich.«
Leon funkelte seine künftige Braut wütend an. »Was?«, rief er. »Zehn Jahre? So lange kann ich nicht warten!«
In der Zwischenzeit hatte Idriss aus dem benachbarten Wald jede Menge Brennholz gesammelt und es auf dem Zierrasen im Garten aufgetürmt.
»Was machst du da?«, fragte Walter ihn, als er aus dem Haus trat, um den Grill anzuzünden.
»Das ist für das große Feuer, auf dem können wir unser Fleisch grillen«, erklärte der Afrikaner stolz.
Enttäuscht sah er meinen Manager an, als dieser ihm erklärte, dass das in diesem Garten nicht möglich sei, und anfing, den mühsam errichteten Turm wieder abzubauen.
Es war wie in einem Familienfilm aus Hollywood: Aus jeder Ecke des Hauses hallte ein fröhliches Lachen, jeder half mit, alle hatten Spaß. Wenn man doch nur die Zeit anhalten könnte, dachte ich melancholisch und blickte aus dem Küchenfenster. Doch ich wusste, dass uns die Realität nur zu bald wieder einholen würde.
Kurz darauf zogen duftende Rauchschwaden durch den Garten. Die Männer hatten die saftigen Fleischstücke auf den Grill gelegt, der Tisch war gedeckt, Soßen und Salate waren angerichtet. Um sich abzulenken, bis das Essen endlich fertig war, spielten die Kinder noch eine letzte Partie Mikado, bei der ich sie aufmerksam beobachtete. Ich mochte dieses Spiel, das viel über die Charaktere der einzelnen Mitstreiter aussagt.
Safa agierte dabei sehr geschickt. Mit ruhiger Hand und voll konzentriert hob sie die einzelnen Stäbchen von dem Haufen, ohne die anderen zu berühren. In ihren Augen funkelte Siegeswille. Sie war eine Gewinnerin. Als sie schließlich doch einmal unter dem Jubel der anderen versagte, fing sie wild gestikulierend an zu diskutieren. »Nein, das hat sich nicht bewegt. Du lügst!« Sie war keine gute Verliererin, aber sie hatte Durchsetzungskraft. Sie wagte es, den anderen zu widersprechen, sich zu wehren. Sie war mutig und kompromisslos, wie man es von den wenigsten afrikanischen Mädchen kannte. In diesem Augenblick wusste ich, dass sie meinen Kampf eines Tages tatsächlich würde fortführen können. Safa war völlig zu Recht die kleine Wüstenblume.
»Das Fleisch ist fertig«, riss Walter, der mit Idriss am Grill stand, mich aus meinen Gedanken.
Als Inab und Safa mit ihren Tellern angestürmt kamen, wies Idriss sie zurecht. »Moment, die Männer zuerst.«
Das gefiel Hawo, die bereits am Vortag mit ihm aneinandergeraten war, ganz und gar nicht. »O nein, die Frauen zuerst«, widersprach meine Adoptivtochter und drängte ihren Bruder Mohammad zur Seite.
Doch Idriss ignorierte sie einfach, nahm ein Stück Fleisch vom Grill und legte es Mohammad auf den Teller.
Nun konnte ich nicht länger zusehen. Entschlossen nahm ich Mo den Teller weg und reichte ihn Hawo. »Hör mal zu, Idriss«, ermahnte ich Safas Vater, und die Stimmung drohte abermals zu kippen. »In meinem Haus wird niemand benachteiligt, schon gar nicht die Frauen. Wir essen alle gemeinsam, und jeder bekommt gleich viel.« Der Afrikaner musterte mich nur ungläubig, also sagte ich noch einmal mit Nachdruck: »Mir ist es ernst, Idriss. Du kommst aus der Steinzeit, aber in meinem Haus herrscht die Neuzeit. Schluss jetzt mit diesen Unsitten!«
Man konnte ihm den Widerwillen allzu deutlich ansehen, dennoch verteilte Idriss nun das Fleisch abwechselnd an Frauen und Männer. Zuletzt nahm er sich selbst ein großes Stück und setzte sich etwas abseits auf den Rasen, um beleidigt allein zu essen.
Wir ließen uns davon nicht weiter beeindrucken und genossen den Abend in vollen Zügen. Anschließend gingen wir nach drinnen, um den zweiten Teil der Feier einzuläuten.
Es war mucksmäuschenstill im Wohnzimmer des Holzhauses, nachdem Mo das Licht ausgeschaltet und die DVD gestartet hatte. Gebannt sahen alle auf den flachen Bildschirm, auf dem nun die endlos weite Wüste erschien. Safa saß auf meinem Schoß und hielt meine Hand ganz fest. Zwar kannte sie die Beschneidungsszene bereits, dennoch schien sie sich vor ihrem eigenen
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