Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
betrachtete, verstand sie das Sprichwort, das ihr Sophie beigebracht hatte. »Schönheit muss leiden«, wiederholte Safa in ihrer kindlichen Art.
Sie sah wunderschön aus. Ihr dunkles Haar wirkte nun wesentlich länger und glänzte, als käme sie direkt vom Friseur. Ihre Augen leuchteten vor Glück und Vorfreude auf die Fahrt, die sie am nächsten Tag antreten würden und die uns beide endlich zusammenführen sollte.
Sophie küsste die Kleine auf die Wange und sagte: »Nein, das Sprichwort, das ich dir da gesagt habe, ist Blödsinn. Man sollte für Schönheit nicht leiden müssen. Man sollte für nichts in der Welt leiden müssen, Safa!«
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18.
Das Wiedersehen
S ämtliche Taschen und Koffer standen gepackt in einer Ecke der Lobby, und auch Idriss, Inab und Safa waren bereit für die Abreise, als Sophie und Walter am nächsten Morgen ins Hotel kamen. Idriss sah in seiner neuen Jeans, dem T-Shirt aus Frankreich und mit den sichtlich gewaschenen Haaren so ordentlich aus wie nie zuvor. Inab hatte sich ebenfalls in Schale geworfen, in der knallgelben Hose und dem weißen, hübschen Hemd strahlte sie förmlich. Sophie hatte ihr am Vorabend einen golden schimmernden Lidschatten und Wimpertusche mitgebracht. Beides hatte sie nun aufgetragen und ihre schönen Augen damit noch stärker zur Geltung gebracht. Stolz lächelte sie Sophie an, die ihre Schminkkünste bewunderte.
»Ich habe auch ein bisschen Gold auf den Augen«, sagte Safa, um Sophies Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
In ihrem weißen Rüschenkleid und den passenden Sandalen sah Safa aus, als wäre sie einem Kindermodenkatalog entsprungen. Das mühevoll geglättete Haar hielt sie mit dem Haarreifen aus Paris im Zaum. Sophie stellte fest, dass die Lider des Mädchens tatsächlich glitzerten, doch das Strahlen in Safas Augen gefiel ihr noch viel besser.
»Wie schön, dass ihr schon fertig seid«, freute sich Walter, der in den letzten Tagen oft genug auf die chaotische Truppe hatte warten müssen. »Lasst uns gleich losfahren. Vielleicht sind wir ja sogar noch vor Waris in Bayern.«
Mein Manager und Vertrauter hatte vor einigen Tagen im Internet ein Haus im bayerischen Oberammergau entdeckt, rund siebzig Kilometer von München entfernt, und es für eine Woche gemietet.
In dem idyllischen Ort inmitten der Berge würden sich auch Mo, Hawo und Leon wohl fühlen. Ich konnte es kaum erwarten, dass mein Sohn und meine Adoptivkinder Inab und Safa trafen, von denen ich ihnen in den letzten Wochen schon so viel erzählt hatte. Doch vor allem die Vorfreude auf mein geliebtes Patenkind ließ mein Herz höherschlagen – und mich die Angst vor einer Konfrontation mit ihrem Vater Idriss vergessen.
Während die Afrikaner noch im Auto saßen, war ich bereits in dem schönen Ferienhaus und konnte es kaum erwarten, mein Patenkind endlich wieder in die Arme zu schließen.
Safa war ähnlich ungeduldig. »Wann sind wir endlich da?«, fragte sie immer wieder während der rund sechsstündigen Fahrt nach Oberammergau. Selbst als Walter auf allgemeinen Wunsch hin eine Raststätte anfuhr, jammerte sie nur: »Ich muss gar nicht aufs Klo! Lasst uns lieber weiterfahren, damit wir schneller bei Waris sind.«
Inab und Idriss war die Nervosität ebenfalls anzumerken, und prompt ließen sie in dem Selbstbedienungsrestaurant kein Fettnäpfchen aus. Idriss griff vor den Augen der entsetzten Köche mit den Händen in die Töpfe am Buffet. Inab dagegen ließ sich gleich drei verschiedene Speisen auf den Teller häufen (von denen sie hinterher keine einzige anrührte), und Safa fiel ein Glas aus der Hand, das auf dem Steinboden in Dutzende Scherben zersprang. Mitleidig sah die Dame an der Kasse Sophie und Walter an, deren Reisegruppe sichtlich überfordert war. »Hoffentlich sind wir bald in Oberammergau«, schnaufte Sophie.
Während sie und Walter noch alle Hände voll zu tun hatten, um unsere Gäste zurück ins Auto zu verfrachten, machte ich es mir im Garten gemütlich. Joanna hatte für mich und die Kinder schon am frühen Morgen einen Flug von Danzig nach München sowie die Weiterfahrt nach Oberammergau organisiert.
Es war herrlich hier. Die klare Bergluft machte die sommerliche Hitze erträglich. Das saftige Grün der Wiesen, die traumhafte Kulisse der mächtigen Berge und die kunstvoll bemalten Häuser von Oberammergau gefielen mir auf Anhieb. Leon, Mo und Hawo waren sofort in den Wald gelaufen, an den das Ferienhaus grenzte, um Verstecken zu spielen – ich konnte also
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