Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Wie viel zahlt dir der andere Laden?«
    Seit einer guten halben Stunde nimmt er mich unter seiner trendigen Retro-Schreibtischlampe ins Kreuzverhör, als wäre ich ein wichtiger Schlüssel in Sachen Uwe-Barschel-Akten.
    Ich beharre auf meiner Stewardessen-Version und er darauf, dass ich sowieso nie Talent als Werbetexterin gehabt habe.
    Mit Julian läuft es ähnlich unbefriedigend.
    »Charlotte, mir kannst du es doch sagen – gehst du zu Springer & Jacoby oder in die Klinik, weil du einen Hirntumor hast?«
    Sorgsam schließt er die Milchglastür unserer Unisex-Toilette hinter sich, als wäre dies ein konspiratives Treffen von hoher politischer Brisanz. Er und der Dobermann starren mich betroffen an.
    Nach zwei weiteren Tagen, in denen er mir keinen Glauben schenken will und mich mit Differentialdiagnosen bombardiert, in der Hoffnung unter anderem mit »Ebola« einen Treffer zu landen, gibt er auf.
    Zum Abschied verteile ich an alle Kollegen, die grinsend auf den Ausgang deuten, mich mit Getränkebestellungen aufziehen und mit hektisch rudernden Armen hinter ihrem Schreibtisch eine Boeing 747 imitieren, Tomatensaft und Erdnüsse.
    Ich bin frei. Nur der Abschied vom Dobermann fällt mir unerwartet schwer.
    Skyline – Meet the Angels.
    Rundschreiben
    Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Kabinenpersonals,
    immer wieder erreichen uns zahlreiche Bordberichte aus Ihren Reihen, dass es durch den in der Economyclass auf den Strecken Mittelstrecke Naher Osten/USA-Ostküste/USA-Westküste gezeigten Film »Ice Age III« zu Konfliktgesprächen mit Erziehungsberechtigten kommt.
    Wir haben uns den Film angesehen und teilen nicht die Ansicht, es käme zu einem angedeuteten Geschlechtsakt zwischen dem Faultier »Sid« und einem in einer Nebenrolle besetzten prähistorischen Eichhörnchen.
    Nichtsdestotrotz haben wir uns entschieden, den Film aufgrund seiner anhaltenden Polarisierung und zu Ihrer Entlastung vollständig aus dem Programm zu nehmen.
    Bitte verweisen Sie bei Anfragen auf den Alternativ-Kinderfilm »Rennschwein Rudi Rüssel« mit Iris Berben, der allerdings nicht im Entertainment-Magazin aufgeführt ist.
    Wir wünschen Ihnen weiterhin gute Unterhaltung an Bord!
    Annette Amberger
    Skyline/Bordprogramm HAM

6.
    »Lernt man da nicht nur
Schminken in der Ausbildung?«
    »Can you tell me, where Businessclass is?«
    »Straight to the front, right behind the curtain.«
    »Can you please explain that again? I go where? And then, I make a left at the curtain? Where? At the wing?«
    (CLT – MUC)
    Sehr geehrte Frau Loos,
    wir freuen uns sehr, Sie bei uns im Konzern begrüßen zu dürfen! Zur flugmedizinischen Untersuchung finden Sie sich bitte innerhalb der kommenden Woche zwischen 8 und 10 Uhr Ortszeit nüchtern im Försterweg 17 in Hamburg ein.
    Falls Sie alle gesundheitlichen Anforderungen erfüllen, findet Ihr Lehrgang dann im Folgemonat in Frankfurt statt.
    Für die Dauer Ihres Kurses stellen wir Ihnen ein Einzelzimmer im nahe gelegenen SkySleep-Hotel bereit.
    Ein Shuttle bringt Sie täglich zum SFTC und zurück.
    Sie erhalten in dieser Zeit eine monatliche Ausbildungs-Vergütung von 300,00 Euro.
    Sollten Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich jederzeit gerne an mich!
    Ich wünsche Ihnen »Always happy landings!«
    Erich Wildberger
    Skyline/Auswahlkommission FRA
    P.S. Ich hoffe, Ihre Teilnahme an den diesjährigen Weltmeisterschaften für Fernlenkdrachen war erfolgreich?
    Nachdem ich zwei Wochen später Zwölf-Kanal-EKG, Hör- und HIV-Test erfolgreich hinter mich gebracht habe, erhalte ich als Letztes die Bestätigung, dass meine Stuhlprobe (die ich stilvoll in einem Chanel-Tütchen abgegeben habe) ebenfalls ohne Befund ist. Bereits jetzt bin ich so viel gereist, wie in den letzten fünf Jahren nicht: Das Auswahlverfahren war im Frankfurter Hauptquartier von Skyline, wo auch meine Ausbildung stattfinden wird. Die medizinischen Untersuchungen werden glücklicherweise in Hamburg und meine spätere Stationierung wird in München sein.
    Nicht ganz ohne Wehmut löse ich meine Wohnung in Hamburg auf, packe fleißig Umzugskartons und funktioniere die Garage meiner Schwester, die praktischerweise im bayrischen Umland wohnt, in ein kostengünstiges Self-Storage um.
    Der Umzug ins bayerische Umland ist nicht gerade ein Spaziergang, aber das regelmäßige Krafttraining von Justus, dem Mann meiner Schwester, erweist sich als äußerst nützlich. Zu zweit hecheln wir mit ein paar Zierpflanzen hinterher und schwören hoch und heilig