Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
beschmierte Ventil nebst Maske unauffällig in die Kiste zu entsorgen.
»Halt!« Der Trainer, klein, drahtig und mit Nahkampfausbildung, hält mich abrupt auf.
»Sind Sie die Letzte?«
»Ich glaube schon.«
»Das glaube ich nicht«, stellt er schonungslos fest und nimmt es zum Anlass, der gesamten Gruppe nochmals mitzuteilen:
»Erst, wenn ALLE durch sind und ERFOLGREICH gelöscht haben, erhalten Sie Ihre Lizenz!«
Philipp reißt mir im Vorbeigehen die Maske aus der Hand, zieht sie kurzerhand über und stürzt sich in die Flammenhölle. Er hat den Elektrobrand erwischt.
Je nachdem, welche Art von Feuer der Trainer erzeugt, muss man eine überlebenswichtige Entscheidung treffen und mit Wasser oder wahlweise nur Halon löschen. Bei Schwelbränden kommt sogar die Brechstange zum Einsatz.
Nach einer weiteren kurzen Kaffeepause, die kaum reicht, um mich auch nur annähernd von den Strapazen zu erholen, stehen wir vor der Smoke & Smell-Bar , an der man lernt, den Geruch von brennendem Kerosin, Kabelbränden und auslaufender Hydraulikflüssigkeit zu unterscheiden.
»Wo ist Philipp?« Der Trainer verteilt verschiedene Utensilien neben der Bar und sieht fragend in die Runde.
Alle sehen sich suchend um.
»Liegestütze?« Denise kichert.
»Der ist kurz zu Dr. Eckert – er hatte einen komisch schimmernden Ausschlag um den Mund herum«, meldet jemand sachlich aus der hintersten Reihe.
Ich denke an meine Lipgloss-Reste, mache mich auf meinen hohen Absätzen so klein wie möglich und starre unbeteiligt auf eine fluoriszierende Seewasserfärbetablette.
»Fangen Sie doch bitte mal an.«
Eindeutig hat mich der drahtige Trainer ins Auge gefasst. Denise weicht, ausgesprochen unloyal, einen großen Schritt zur Seite, um die Bühne für mich freizugeben.
»Zeigen Sie uns doch bitte, wie Sie einen Piloten aus seinem Sitz retten.«
Oh Gott, auch das noch! Die komplizierten Hebel an den in alle Richtungen verstellbaren Cockpitsitzen habe ich noch weniger gut verstanden als die Schaltkreise der Kaffeemaschinen an Bord oder die Grafik, an der die Trainerin Magnete wie Trolleys durch die Gegend schob, um den Serviceablauf auf der Langstrecke zu demonstrieren. Immerhin weiß ich jetzt, was TAO ist: die Anordnung der Säfte Tomate, Apfel und Orange auf dem Getränkewagen!
Ich stöckele Richtung Cockpit-Attrappe und berge mit ruppigem, vorab eingeübtem Rautek-Griff den Trainer, der sich als bewusstloser Pilot ausgibt.
»Und wen sollen wir zuerst retten?«, fragt Tina, die seit zehn Jahren Charter fliegt. »Ich meine, erst die Piloten oder erst die Gäste?«
Der Trainer hebt den Kopf und wirft ihr einen abschätzigen Blick zu. »Lassen Sie es mich so sagen: Die Herrschaften vorne kosten Geld, die hinten zahlen welches.«
Alle lachen.
Dann wird er wieder ernst: »Sie wissen, dass das ein Scherz war?«
Nach der Bergung von fünfzehn weiteren »Piloten« mit Quetschungen, Verbrennungen und Brüchen stellen wir uns wie immer im großen Schulungsraum auf, um das Logo von Skyline zu formen. Leider bin ich wieder nicht die Antenne des Empire-State-Buildings, die im Wesentlichen einfach kerzengerade dasteht, sondern ein gekrümmtes Zwiebeltürmchen des Kreml.
»Morgen früh kommt Dr. Eckert zu Ihnen und klärt Sie über extraterrestrische Strahlung auf. Sie erhalten dann auch Ihr persönliches Strahlenkonto!« Der Emergency-Trainer verabschiedet sich. Obwohl ich ein großer Fan von Kontoeröffnungen bin, bin ich mir bei dieser nicht ganz sicher.
Als der Bus zurück zum SkySleep-Hotel auf die Hauptstraße einbiegen will, kommt Philipp winkend angerannt.
»Danke!«, schnauft er den Busfahrer an, der grimmig nochmal die Tür öffnet. Dann lässt er sich mit Schwung auf den freien Sitzplatz neben mir fallen.
»Und?«, heuchle ich voller Schuldgefühle großes Interesse an seinem potenziell lebensbedrohlichen Ausschlag.
»Ach, das war nur Farbe«, sagt er grinsend. »Aber hier …« Er holt etwas aus seiner Jackentasche. »Das hat er mit so einer gebogenen Zange aus der Nase gezogen, es muss in der Atemmaske gesteckt haben.«
Jetzt bin ich wirklich erleichtert. Mein Perlenohrring!
Es ist die letzte Woche Training bei Skyline. Hinter mir liegen diverse Nächte, in denen ich Zeitzonen, Währungen und die Zollbestimmungen einzelner Staaten auswendig gelernt habe, von deren Existenz ich vorher nicht einmal wusste. Oder wann bitte wurde Tuvalu im Stillen Ozean in der Schule durchgenommen?
Endlich ist es auch Zeit für die Anprobe der
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