Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
maßgeschneiderten Uniformen in der hausinternen Kleiderkammer, bei der ich mir vorkomme wie ein Mitglied der schwedischen Königsfamilie, kurz vor einem umjubelten Balkonauftritt.
Mein Bäuchlein ziehe ich nicht ein, obwohl es mir durchaus peinlich ist. Aber schließlich soll die Uniform ja passen, und ich möchte auch nicht aus falsch verstandenem Diätwahn bei anspruchsvollen Flügen über Kasachstan kollabieren.
Die Schnepfe von Schneiderin nimmt brachial Maß, piekt mich mehrfach beim Abnähen in den Speck und notiert hörbar fiktive Konfektionsgrößen: »Bundfaltenhose sechsunddreißig, Handschuhe XS, Rock in S …«
Dann bemerkt sie meinen »Sind Sie wahnsinnig, gute Frau?«-Blick. Streng schaut sie über den Rand ihrer goldenen Lesebrille hinweg, geradewegs auf meine Hüften. Dann lächelt sie wie diese sadistische Direktorin in Harry Potter und formuliert süffisant:
»Kindchen, Sie werden doch wohl noch abnehmen?«
Zu gerne würde ich erwidern, was man uns am ersten Tag erklärt hat: Stewardessen müssen vor allem deshalb schlank sein, damit sie durch Notfenster und Gänge passen und nicht wegen der Optik. Aber mir schwant, dass sie das womöglich anders sieht.
Na ja, ein paar Tage Schmunzelhasen-Diät, und ich bin wieder ganz die Alte. Alles eine Frage der Willenskraft. Und im Moment will ich eben nicht.
Und es gab bis hierher noch weitaus unangenehmere Momente:
1. Das Springen in die Notrutsche aus neun Metern Höhe vom Upper Deck einer Boeing 747, bei der sich Denise eine Handgelenksfraktur zuzog. (Dabei hatte der Trainer extra betont, sie solle warten, bis unten zwei andere stehen und sie auffangen.)
2. Die Impfung gegen Gelbfieber.
Während es bei allen anderen durch den Lebendimpfstoff zu einfachen Rötungen und Fieberschüben kam, schlief ich fast vierundzwanzig Stunden durch, was ich als Frühstadium eines drohenden Komas fehldiagnostizierte. Wovon mich Herr Dr. Eckert gegen drei Uhr früh an meinem Bett, leicht unfreundlich, abzubringen versuchte, während ich weiterhin auf einen kurzen Pupillenstatus bestand.
»Warum wir Sie gegen etwas impfen, das nur in tropischen Gebieten auftritt, die Sie gar nicht anfliegen?«, erläuterte er am nächsten Tag im Workshop Tropenmedizin . »Falls Ihnen hier …«, sein Zeigefinger landete präzise wie ein Dartpfeil neben der Zeichnung eines Flachlandgorillas in Bamingui-Bangaron in der Zentralafrikanischen Republik, »… ein Triebwerk abfällt und Sie runter müssen.«
Eines von vielen Berufsrisiken, das die hausinterne Versicherung SafeSkies nur allzu freudig begrüßt.
»Wir empfehlen Ihnen dringend den Abschluss einer Fluguntauglichkeitsversicherung! Wenn Sie sich mit Ihrem Überseekoffer auf dem letzten Treppenabsatz Ihres Hausflurs etwas brechen, zahlt niemand. Denn das ist noch nicht Ihr Arbeitsweg! Der beginnt erst auf dem Bürgersteig. Ab dort ist es ein Arbeitsunfall. Die hohen Kosten der Police entstehen, weil Sie sich in derselben Schadensklasse befinden wie Pyrotechniker, Bombenentschärfer und Astronauten.«
Nach weiteren Horrorszenarien, in denen es unter anderem um in Hotelduschen lauernde Parasiten geht, die durch die Harnröhre des Mannes in den Körper eindringen und ein Multi-Organ-Versagen verursachen, reißt der gesamte Kurs dem Versicherungsmakler sämtliche Formulare aus den Händen. Ich natürlich auch.
»Viel Spaß in Ihrem schönen neuen Beruf!« Der SafeSkies -Agent strahlt mich an, als ich mich zum Abschluss des steuerlich absetzbaren Premium-Komplett-Sicherheitspaketes Schutzengel für Skyline-Engel entschließe.
Ich fasse feierlich zusammen: In nur einer Woche bin ich endlich fertige Stewardess, deren Bestattungskosten mit bis zu fünf anreisenden Familienmitgliedern, auch auf Bali, innerhalb von vierundzwanzig Stunden gedeckt wären, inklusive Sofort-Cash für jeden, an jedem Geldautomaten weltweit.
Ich fühle mich meinem neuen Arbeitsplatz und natürlichem Lebensraum endlich ganz nahe. Der Welt zwischen First Class, 5th Avenue und Champs-Élysées!
Skyline – Meet the Angels.
Rundschreiben
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
um weiteren Gerüchten entgegenzuwirken, möchten wir Sie offiziell darüber informieren, dass unser geschätzer Cockpit-Kollege, Herr Felix Hesse, dessen bis dato sexualstrafliche Unauffälligkeit wir auf das Deutlichste betonen möchten, sich derzeit in Untersuchungshaft in Houston befindet.
Um ähnlichen Vorkommnissen vorzubeugen, möchten wir Sie auffordern, beim Be- und
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