Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
Kundinnen mit den Pad-Thai- Gerichten der Mitarbeiterinnen teilen.
Ein Deckenventilator und die obligatorische Klimaanlage sorgen auch hier für ein Raumklima, in dem man artgerecht Königspinguine halten könnte.
Candy-Mai-Ling kichert nochmals herzhaft, was für mich zunehmend diabolisch klingt, und verschwindet.
Als sie wiederkommt, verschüttet sie vor Lachen fast das kleine Eimerchen mit rosafarbenem Wachs, das sie mit Handschuhen, die eigentlich für die Gartenarbeit gedacht sind, hereinträgt. Dazu rund einhundert sehr kleine weiße Fleece-Streifen und einen Holzspatel, der definitiv aus dem HNO-Bedarf zweckentfremdet worden ist.
Mir kommen leise Zweifel daran, wie sie es schaffen will, mir mit dem kleinen Ding und den Kaugummipapierstreifen einen Look zu zaubern, der mir eine Sprechrolle in Baywatch sichern könnte.
Eineinhalb Stunden später weiß ich es.
Ich hätte diese Behandlungsmethode durchaus in Guantanamo vermutet, aber nicht in einem sogenannten Amüsierviertel .
»Wer schön sein will, muss leiden«, murmele ich tapfer vor mich hin, als Mai-Ling gegen Ende der Tortur die letzten Folterindizien sorgsam mit Melisse wegwischt und sich nun (ich will gerade aufspringen und das Weite suchen) in einer weiteren Prozedur daranmacht, mir mit einer silbernen Riesenpinzette zu Leibe zu rücken.
Ich bleibe widerwillig liegen, auch um nicht einen Kreislaufkollaps zu erleiden, und starre weiter brav die Rotorblätter des Spitzbergen Millennium 2000 X -Deckenventilators an.
Die ab und zu immer noch von Lachern geschüttelte Mai-Ling missinterpretiert meinen Angstschweiß und sorgt verstärkt für Minusgrade, indem sie an der Wand den Schalter »Maximum Power« betätigt – und ihn einen Kampfhubschrauber der Apache-Afghanistan-Klasse verwandelt.
Das kleine heiße Handtuch auf meinen Füßen wird schlichtweg weggeblasen und nicht nur die eisige Kälte, sondern auch Mai-Lings kitzelnde lange Seidenhaare streifen nun hemmungslos über meinen Körper. Etwaige Rest-Härchen müssten eigentlich längst schockgefrostet sein und automatisch abbrechen.
Jetlag-bedingt oder durch die hypnotische Wirkung des Rotors über mir schlafe ich kurz ein, oder mein Körper versetzt sich aus Selbstschutz vorübergehend in ein Koma. Als ich aufwache, fährt mir Mai-Ling mit einer beleuchteten Vergrößerungslupe über die Schenkel, als sei sie eine Pathologin aus Navy CIS.
Ich hätte nichts gegen ein wenig Nachlässigkeit auf meinem Obduktionstisch, aber die Asiaten übertreffen die Schweizer an Genauigkeit bei weitem. Ich beginne zu überlegen, ob die nahe gelegene Deutsche Botschaft auch Menschen wie mir Asyl gewährt. Immerhin werde ich in einem fremden Land gegen meinen Willen gefangen gehalten und gefoltert.
Doch endlich sinkt auch Mai-Lings Enthusiasmus. Sie seufzt tief, schreit dann etwas in den Gang und beruft damit, wie ich bald verstehe, ein Konzil zu drei meiner verbliebenen Stoppeln ein. Zwei weitere Thai-Mädchen rauschen durch den IKEA-Duschvorhang zu uns herein und beugen sich über meine Kniescheibe wie über ein seltenes Insekt.
Leider scheint dies ein Fall für jemanden mit wesentlich mehr Berufserfahrung zu sein, und auf diese Person warten wir nun zu viert. Es ist mir unangenehm, so viel Wirbel um meine Person zu verursachen, und ich entscheide mich für ein wenig Smalltalk zur Auflockerung der Situation.
»What’s your name?« , frage ich das Mädchen, das direkt an meinem Kopf steht. »Mai-Ling«, sagt sie und kichert.
Bevor ich dazu komme, eine Diskussion über die Häufigkeit thailändischer Voramen anzuzetteln, scheucht die erste Mai-Ling die Mädchen unter lautem »Sch!« wie eine Horde Gänse wieder hinaus und überbrückt die Wartezeit selber mit dem dritten Feinschliff.
Das fiese Ziepen oberhalb meines rechten Knöchels wird unerträglich, es macht mich langsam richtig aggressiv. Natürlich will ich aber die auswärtigen Beziehungen Deutschlands nicht gefährden und sage diplomatisch: »Oh, I think it’s good enough …«
Mai-Ling jedoch ist nicht an Einigungen interessiert und formuliert diktatorisch: » No! You not ready. Airplane cannot land yet! « Dann zupft sie unerwartet an meinem Venushügel herum, so dass ich vor Schreck aufquietsche.
Zur Abwechslung starre ich auf ein elektronisches Bild, das eine deutsche Heidelandschaft zeigt, die abwechselnd in Pink, Blau und Algengrün aufleuchtet und einen röhrenden Hirschen einrahmt, dessen Geweih ebenfalls farbig leuchtet.
Plötzliche
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