Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
muss über meinen Dienstplan geplaudert haben.
Andererseits kann man mit derart durchdachten Bestellungen noch sehr zufrieden sein. Im Gegensatz zu vielfach verlangten exotischen Nahrungsmitteln wie Erdnussbutter nämlich, die man auch hier in jedem Edeka bekommt.
Mit Jessicas Wünschen im Gepäck entschließe ich mich auf dem Flug nach Boston ein paar Tage später, eine zweite Meinung zum Importgeschäft einzuholen.
Irgendwo über Island spreche ich meine Crew zwischen Hühnchen, Pasta und Brötchen auf das »Sachen-Mitbringen« an. Bereits bei den ersten Kommunikationsversuchen ernte ich eine aggressive Welle von »Ich bring nix mehr mit«, »Da bin ich knallhart« und »Da mach ich mir keinen Stress mehr …«, gefolgt von wahnsinnigem Lachen, das mich ein bisschen an Nosferatu erinnert, obwohl das ja ein Stummfilm ist. Aber man sieht eindeutig das Weiße in den Augen meiner Trolley-Genossen, als ich Reizwörter ausspreche wie »Marshmallows«, »Seven Jeans«, oder »Ed Hardy-T-Shirt«.
Vermutlich war es auch für sie ein hartes Stück Arbeit gewesen, immun zu werden gegen flehende Augen und gesellschaftliche Ereignisse ohne Camouflage-Outfit und Fluchtplan überstehen zu können. Auch ich bin mir endgültig sicher: Wenn ich auch nur noch eine Mozartkugel aus Wien importieren soll, laufe ich Amok. Eine sehr ungünstige emotionale Lage, die ich, gerade in Boston angekommen, vorerst beschließe, bei einem »Tall iced coffee Latte extra shot espresso für Abigail« zu verdrängen.
»Abigail« ist übrigens mein Starbucks-Name. Obwohl »Charlotte« sich ja englisch auch ganz prima aussprechen lässt. Aber Gruppenzwang ist selbst in meinem Alter noch ein Thema, und seit irgendwann einmal ein Steward seinen »Grande mocca frappuccino for Manfred-Detlef« hatte abholen müssen, heißen wir bei Skyline alle solidarisch »Pam«, »Matt« oder »Eugene«.
Eigentlich stellt Asien das Eldorado für Freunde importierter Markenartikel dar. Endlose Märkte mit gefälschten Dolce & Gabbana-Gürteln, North Face-Jacken und Rolex-Uhren ermöglichen den Millionärslook auch ganz ohne eine einzige Million. Allerdings muss man beim Einkaufen höllisch aufpassen: Selten entspricht das abgebildete Logo dem Original einer Firma.
Mein Vater läuft nun mit einem sehr exklusiven Lacoste-Otter und einem Ralph-Lauren-Polo-Känguruh durch Nordrhein-Westfalen, und meine Mutter erzählt gerne, dass Louisa Vuitton die geschiedene Ehefrau des berühmten Designers ist, die noch viel kostspieligere Koffersets vertreibt, wie zum Beispiel ihres.
Zu den Highlights der »Fake-Markets« in Fernost gehören aber vor allem auch DVDs. Hierzu sei erwähnt, dass jeder, den ich kenne, eher stirbt, als einen Kinofilm auf Deutsch zu gucken. Alles muss immer unbedingt im Original angesehen werden.
So sitzt man dann gegen 23:30 Uhr im kleinsten Kino in München, mit jeder Menge komischer Cineasten, die Popcorn als kapitalistisches Teufelswerk verurteilen, knuspert verängstigt in sich rein und versteht bei Brokeback Mountain nur das Stöhnen im Zelt und die Tatsache, dass ein texanischer Akzent gesprochen wird.
Aber wehe, man bringt die heiß ersehnte Raubkopie des noch unveröffentlichten Staffelfinale von LOST für ein paar Yen mit nach Hause – große Augen, vorwurfsvolles Verschieben der Unterlippe, verärgertes Räuspern und dann ein einziges, scharfes, zu Tode beleidigtes: »Das ist ja alles auf Englisch!«
Weniger anspruchsvolle Menschen hingegen möchten, dass ich »lediglich« etwas für sie abhole, wie zum Beispiel der Milky-Way-Mann, der sich drei Jahre nach meiner Kündigung wegen limitierter Sneaker mit Air-Max-Technik und lizensierter goldener Goofy-Applikation vertrauensvoll an mich wandte. Und ich finde nun mal, man kann es sich heutzutage nicht leisten, Kontakte zu potenziellen, eines Tages und in einer Notlage wieder interessant werdenden Exarbeitgebern aufzugeben.
Also klickte ich ohne zu zögern auf »Drucken«, als mich seine Mail erreichte, die eine Reihe von Anweisungen enthielt. Ich war ein wenig pikiert, dass er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sie in ein scheinheiliges Höflichkeitskorsett zu verpacken (»Wie geht es dir – Ich wollte mal hören – Bist du glücklich mit deiner Entscheidung? – Und wenn du schon mal in den USA bist …«). Aber immerhin wusste er genau, was er will, hatte selbstständig Recherche betrieben und das Ganze eigenhändig telefonisch vorbestellt, bei einem Laden in Chicago, der den
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