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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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nicht ernst bleiben und stimmte in ihr Lachen ein. Er stellte den Stock beiseite, ließ die Halsreifen klirren und strich mit den Fingern stolz über die vielen Löwenbilder auf seinem Gewand.
    »Aber warum fallt ihr dann über meine Religion her?«, fragte er schließlich, als er seine Fassung wiedergewonnen hatte. 
    »Schau mal«, fuhr Monica fort, »wer so lacht, der lügt auch.« Das löste erneut Gelächter aus. Selbst draußen vor dem Fenster hüpften einige Leute in die Höhe, um zu sehen, was drinnen vor sich ging.
    »Es sind die Muslime, die in Allahs Namen töten«, sagte Emeka in ernstem Ton. »Das ist nicht zum Lachen.«
    » Haba , nur die Ruhe, Vetter von Dubem, Freund von Tom«, sagte Monica. »Kein Stress hier im Bus … entspann dich, Mann.«
    »Nein, wir müssen die irrige Theologie des Häuptlings korrigieren. Dank der Gnade Gottes ist das Christentum reine Ver
gebung. Sonst wäre dieses Land längst in Flammen aufgegangen. Ihr Heiden aber seid wie die Muslime …«
    »Was für eine Beleidigung, meine Religion mit diesem barbarischen Glauben zu vergleichen!«, rief der Häuptling immer noch lachend. »Ich hab euch doch davor gewarnt, in diesem Bus die Worte Islam oder Muslime in den Mund zu nehmen, wisst ihr noch?«
    »Ja, so war's abgemacht«, sagte Tega, und einen Moment lang wurde es ruhig im Bus, als wäre die Stille nötig, um die Atmosphäre von Gewalt zu reinigen.
    » Abeg , wir müssen mein wahala klären«, sagte der Mann, dessen Platz der Häuptling an Jubril geben wollte.
    »Tja, da gibt's nicht viel zu klären«, sagte Emeka. »Zeigt die Tickets.«
    Alles wandte sich zu Jubril und dem Häuptling um.
    Jubril wies gleich seine Fahrkarte vor, zückte sie, als wäre sie der Hauptgewinn in einer Lotterie. Wenigstens kümmerte man sich jetzt von dritter Seite um seinen Fall, dachte er.
    »Und, Häuptling? Ihr Ticket?«, fragte Monica und sprach damit aus, was alle dachten.
    »Meinst du mich?«, fragte der Häuptling und räusperte sich.
    »Klar, wen sonst?«, erwiderte Ijeoma.
    »Glaubt ihr wirklich, ich würde hier sitzen, wenn ich kein Ticket hätte?«
    Ijeoma und Emeka sahen sich an, doch aus irgendeinem Grund wollte niemand Häuptling Ukongo auffordern, den Fahrschein vorzuzeigen. Stattdessen feuerten die Passagiere Jubril an, ermutigten ihn, den Häuptling von seinem Platz zu verdrängen. Jubril fühlte sich erleichtert. Zwar war ihm klar, dass der Jubel schlagartig verstummen würde, falls sie herausfanden, dass er Muslim war, doch allein, dass sie ihn, einen sechzehnjährigen Niemand, gegen einen Häuptling unterstützten, fühlte sich gut an. Er wusste, in Khamfi hätte ihm niemand gegen einen königlichen Vater, einen Emir, geholfen, auch nicht,
wenn er zweihundert Prozent im Recht gewesen wäre. Dies hier kam ihm wie ein Vorgeschmack auf die Freiheit vor, die er sich vom Süden erhoffte, und ihn überfluteten all die herrlichen Visionen, die er mit seinem Bestimmungsort verband. Es war, als hätte er endlich die Unterstützung seines Volkes errungen, der Bewohner des Südens. Dabei kümmerten ihn die religiösen Unterschiede zwischen dem Häuptling und seinen christlichen Unterstützern im Augenblick wenig, nicht mal die Unterschiede zwischen seinen Unterstützern und ihm selbst. Ihm war nach Singen und Tanzen zumute. In den letzten Tagen hatte er gelernt, dass man gewisse Dinge anderen Dingen zuliebe erdulden musste. Und diese einzigartige Solidarität, die er hier erlebte, gestattete es ihm zum ersten Mal, sich im Bus zu entspannen und sogar einen Blick auf den Fernseher zu riskieren – allein, um seine Dankbarkeit zu beweisen. Dies war nicht der rechte Augenblick, allzu ernsthaft über den Islam, das Christentum oder über Gott nachzudenken, fand er. Es war der Augenblick, nur Mensch zu sein und das Menschsein zu feiern. Jetzt kam es höchstens darauf an, wie man seine Nachbarn dazu bewegte, Waffen und Vorurteile abzulegen, wie man sie dazu brachte, zusammenzuleben.
     
    Obwohl der Häuptling ihm weder den Sitz überlassen noch sein Ticket vorgezeigt hatte, verlor sich Jubril in Glücksgefühlen. Erneut aber stürzten in diesem sorglosen Moment die Erinnerungen an seine Flucht auf ihn ein. Und da er sich im Bus jetzt akzeptiert fühlte, ließ er sie zu. Zum ersten Mal während dieser langen Wartezeit auf dem Busbahnhof glaubte er, seinem inneren Aufruhr Raum geben zu können, ohne sich dabei zu verraten.
    Er erinnerte sich an seinen Sturz in der Savanne, daran, dass er das

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