Sag, dass du eine von ihnen bist
anmachen. Also, wer hat das Licht angemacht?« Ich knipse es aus. »Geh zu deinem blöden Bruder und bring ihn ins Bett. Du musst ihn lieb haben.«
» Yego , Papa.«
Ich gehe ins Wohnzimmer und hoffe, Maman mischt sich ein, tut sie aber nicht, also bringe ich Jean wieder ins Bett.
»Und bleib da, Mädchen«, sagt Papa, geht ins Wohnzimmer und schlägt die Tür hinter sich zu.
Als ich noch jünger war, bin ich immer auf Papas breiten Schultern in die Berge geritten. Wir haben ganz oft Mamans Elternhaus im Nachbartal besucht. Papa hat mir erzählt, dass Maman so alt war wie ich, als er sie kennenlernte, und dass sie zusammen in den Bergen gespielt haben. Sie gingen in dieselbe Grundschule und zur selben Universität.
In den Bergen kann man die Wolken ziehen sehen wie Weihrauch in einer Kirche. Unser Land ist voller Winde, und in den Bergen pusten sie einem in die Augen, bis Tränen über die Wangen laufen. Sie rasen durch die Täler wie hungrige Kühe. Die Vögel fliegen auf und schwanken und taumeln im Wind, ihre Stimmen mischen sich in sein Geheul. Wenn Papa sein lustiges Lachen lacht, dann trägt der Wind auch seine Stimme davon. Oben in den Bergen kann man sehen, dass die Erde rot ist. Man kann Bananenstauden sehen und Platanen, die Blätter in der Mitte zusammengerollt wie zu gelbgrünen Schwertern, die den Wind zerteilen. Man sieht Kaffeefelder und Bauern, die hindurchwaten, Körbe auf dem Rücken. Geht man in der Trockenzeit in die Berge, werden die Füße staubig. Wenn es regnet, zerfließt die rote Erde wie Blut unter einer grünen Haut. Überall wachsen Ranken, und Insekten krabbeln aus dem Boden.
In unserem Viertel gehe ich stolz und aufrecht durch die Straßen. Die fiesen Typen wissen alle, dass sie es mit Papa zu tun bekommen, wenn sie sich mit mir anlegen. Von meinen Tränen wird er selbst dann noch nüchtern, wenn er Bananenbier getrunken hat. Manchmal schimpft er sogar mit Maman, wenn sie sein Mädchen traurig gemacht hat. Er schimpft auch mit den Verwandten, wenn sie sagen, es sei bedenklich, dass ich Maman so ähnlich sehe. Papa erzählt gern, dass er vorhatte, Maman gegen den Willen seines Stammes in unserer Kirche zu heiraten, als ich geboren wurde, obwohl sie da noch keinen Sohn zur Welt gebracht hatte. Maman aber wollte nichts davon hören, sagt er. Sie wollte erst einen Jungen bekommen,
ehe sie das heilige Sakrament der Ehe empfing. Papa erzählt mir alles.
Mamans Liebe ist anders. Manchmal schaut sie mich an und wird traurig. Sie geht nie mit mir aus, wie sie es mit Jean tut. Immer ist sie so besorgt, als würde uns jeden Moment ein Löwe anspringen und fressen wollen.
»Ich werde immer schön sein, Maman!«, habe ich ihr eines Tages gesagt, als Papa uns von einem Picknick am See heimfuhr. Maman saß auf dem Beifahrersitz, Jean auf ihrem Schoß. Ich saß hinten.
»Du kannst auf andere Weise schön sein, Monique«, antwortete sie.
»Lass das arme Mädchen in Ruhe«, warf Papa ein.
»Ich verstehe nicht«, erwiderte ich.
»Das wirst du schon noch, wenn du erst älter bist«, sagte sie.
Als ich diesmal aufwache, fallen gelbe Morgenstrahlen durch die zerrissene Jalousie und die Löcher in der Tür. Sie durchsieben das Dämmerlicht, und ich sehe darin Staubkörner tanzen. In unserem Viertel ist es still. Als ich ins Wohnzimmer komme, geht Papa von Fenster zu Fenster und sorgt dafür, dass niemand von außen hereinsehen kann. Maman steht am Tisch und betrachtet mit zusammengekniffenen Augen zwei gerahmte Fotografien.
Das eine Bild zeigt die traditionelle Hochzeit meiner Eltern. Es ist zehn Jahre alt. Ich war damals noch in Mamans Bauch. Die Frauen sehen alle elegant aus, tragen ihr imyitero wie Le Père Mertens sein kurzes Messgewand. Verheiratete Frauen, die einen Sohn geboren haben, haben sich die urugoli -Krone aufgesetzt. Maman erhielt ihre erst letztes Jahr, als Jean zur Welt kam. Im Hintergrund sieht man einige angebundene Kühe. Sie gehören zur Mitgift, die Papa für Maman gezahlt hat. Doch worauf ich mich auch konzentriere, mein Blick wandert immer wieder zu Tonton Andrés lächelndem Gesicht. Ich be
decke es mit der Hand, aber Maman schiebt meine Finger beiseite. Also sehe ich mir das andere Bild an, das letztes Jahr nach der kirchlichen Hochzeit meiner Eltern aufgenommen wurde. Im Vordergrund sind Papa, Maman und ich. Ich bin das Blumenmädchen, trage Handschuhe, und an weißen Bändern hängt mir ein Blumenkorb um den Hals. Wie einen Hochzeitsstrauß drückt Maman Baby
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