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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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Flur auf und ab läuft. Er kommt nicht. Ich höre nicht auf zu schreien. Ich winde mich und presse die Knie zusammen. Dann
schnappe ich mit den Zähnen nach dem Nackten. Er schlägt mir ins Gesicht, links, rechts, bis mein Speichel salzig wird vom Blut. Ich spucke ihm ins Gesicht. Zweimal. Er schlägt meinen Kopf auf den Boden, umklammert meinen Hals, boxt mir auf den linken Schenkel.
    » Oya! Nein! Shenge ist eine von uns!«, ruft der Zauberer, als er ins Zimmer stürzt.
    »Ach … dies kleine Ding … überlass ruhig mir «, bringt der Nackte langsam vor. Ein bisschen Pippi schießt auf meine Schenkel und mein Nachthemd, warm und dick wie Babybrei. Ich krieg kaum noch Luft, denn wie ein Toter ist er mit seinem ganzen Gewicht über mir zusammengeklappt. Als er sich endlich aufrichtet, versteckt er seine Blöße in der Hose, und der Zauberer beugt sich über mich, mustert mich und atmet auf vor Erleichterung.
    »Kannst du mich hören, Shenge?«, fragt der Zauberer.
    »Mmmmh.«
    »Ich glaube, mit dir ist alles in Ordnung.«
    »Okay.«
    »Eine schlimme Zeit, Mädchen, eine schlimme Zeit. Sei stark.« Er dreht sich zu meinem Angreifer um und knurrt: »Sei froh, dass du ihren Schoß nicht geöffnet hast. Ich hätte dich mit meinen eigenen Händen erwürgt!«
    »Jean«, flüstere ich. »Wo ist mein Bruder?«
    Der Overalltyp findet ihn unterm Bett, zusammengerollt wie eine Python, und zieht ihn vor. Jean legt seinen großen Kopf an meine Brust. Mein Kopf tut so weh, als würde ihn der Mann immer noch auf den Boden schlagen. Meine Augen zeigen mir viele Männer in gelber Hose oder Overall, viele Zauberer. Der Boden hebt und senkt sich. Ich versuche, die Augen offen zu halten, aber vergebens. Jean tastet meine aufgeschlagenen Lippen ab.
    Jemand hebt mich und Jean hoch und trägt uns zurück ins Wohnzimmer. Tonton André sitzt zwischen zwei Männern, die
ihn trösten. Er hält den Kopf in Händen, und der Zauberer beugt sich über ihn, tätschelt seine Schulter.
    Kaum sieht Tonton André uns, springt er auf, doch man zieht ihn wieder runter, schimpft ihn aus und sagt, er solle sich zusammenreißen. Nur hört er nicht auf sie.
    »Mein elender Bruder und seine Frau sind nicht zu Hause?«, sagt er sehr langsam, als wachte er aus tiefem Schlaf auf. »Das hier ist er mir schuldig. Ich bring seine Kinder um, wenn ich ihn nicht finde.«
    »Mein Neffe«, sagt der Zauberer und schlägt mit seinem Stock auf den Boden, »keine Sorge. Er wird bezahlen. Diesmal kann niemand unserem Zorn entkommen. Niemand.«
    » Koko, ni impamo tuzabigria «, murmeln die Leute zustimmend.
    Ich weiß nicht, wie Papa seinem jüngeren Bruder etwas schulden könnte. Papa ist reicher als er. Aber was es auch ist, ich bin sicher, er wird es ihm morgen zurückzahlen.
    Die Meute beruhigt sich. In Grüppchen stehen die Leute zusammen und unterhalten sich wie Weiber auf dem Markt. Es kommt mir so vor, als warteten draußen noch mehr Leute. Nur Monsieur François ist ungeduldig und sagt, sie sollten sich beeilen, damit sie noch woandershin könnten, schließlich hätte die Regierung ihnen die Macheten und Gewehre nicht zum Nichtstun gegeben.
    Nach einer Weile lässt der Zauberer Tonton André sitzen und kommt zu uns. »Mädchen, du sagst, du weißt nicht, wo deine Eltern sind?«, fragt er.
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Wenn sie zurückkommen, sag ihnen, dass alle Straßen gesperrt sind. Kein Entkommen. Und du, kluges Kind«, sagt der alte Mann und pocht mir auf die Brust, »wenn du überleben willst, geh auf keinen Fall aus dem Haus. In unserem Land sind überall Geister. Böse Geister.« Er fuchtelt mit seinem Stock herum und wirft den Kopf in den Nacken, als wollte er die
Geister herbeibeschwören. Dann geht er, folgt der Menge nach draußen.
    Ich blicke auf, sobald alle gegangen sind. Die Blumen liegen verstreut, jemand ist aufs Altartuch getrampelt. Überall sind Scherben. Die Schubladen vom Schreibtisch sind aufgezogen, die Bücherregale umgestürzt. Der Fernseher wurde zur Wand gedreht, und ein kalter Wind fährt in die Jalousien. Ich finde das Kreuz und stelle es wieder auf den Altar.
    Ich will schlafen, aber die Angst folgt mir in mein Zimmer. Die Hände zittern. Mein Kopf fühlt sich schwer und geschwollen an. Auf meinem linken Schenkel, da, wo mich der Boxhieb des Nackten getroffen hat, schwillt eine Beule. Von meinen Lippen tropft noch Blut aufs Nachthemd. Ich hätte nicht versuchen sollen, den Zauberer zu täuschen. Was werden uns die Geister

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