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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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mehr gekämmt. Das grüne Hemd ist aufgeknöpft, und er hat keine Schuhe an.
    » Yagiye hehe? «, fragt jemand aus dem Mob enttäuscht. »Wo ist sie hin?«
    »Hat sie nicht gesagt«, antworte ich.
    »Hast du heute Abend deinen Papa gesehen?«, fragt Tonton André.
    » Oya .«
    »Nein? Ich bringe dich um«, sagt er, das Gesicht ganz aufgeplustert vor lauter Ernst.
    Ich suche die Menge mit den Augen ab. »Du hast gesagt, Papa wäre bei dir … Papa! Papa!«
    »Der Feigling ist getürmt«, sagt einer der Leute.
    » Nta butungane burimo! «, schreien andere. »Das ist nicht gerecht!«
    Sie sehen wie Sieger aus, wie Fußballchampions. Einige von ihnen kenne ich. Unser Kirchpförtner, Monsieur Pascal, summt und singt und trägt ein Halstuch. Mademoiselle Angeline, die Tochter meines Lehrers, tanzt zu seinen Liedern,
als wären es Reggae-Songs. Sie zeigt Monsieur François, dem Prediger der nahen Adventistenkirche, den erhobenen Daumen.
    Manche schwenken ihre Ausweise, als führten sie eine Volkszählung durch. Andere durchsuchen unser Haus. Sie schnüffeln herum wie Hunde, haben Mamans Amour Bruxelles zu Jean zurückverfolgt und ärgern ihn, so dass er zu weinen beginnt. Ich laufe in unser Zimmer und hole ihn ins Wohnzimmer. Ich höre sie überall, wie sie Betten aufschlagen und Schränke aufbrechen.
    Plötzlich sehe ich den Zauberer am Altar. Er dreht sich um und zwinkert mir zu. Dann schlägt er mit seinem Stock aufs Kruzifix, einmal, zweimal, und der Leib Christi bricht vom Kreuz, kracht zu Boden. Gliederlos rollt er mir vor die Füße. Nur Reste von seinen Händen und Füßen hängen noch am Kreuz, schartig und innen hohl. Das Kreuz ist ebenfalls vom Altar gefallen. Der Zauberer lächelt mich an, genießt meine Verzweiflung. Kaum ist er für einen Moment abgelenkt, schnappe ich mir Christi zerbrochenen Leib und verstecke ihn unter Jeans Schlafanzugjacke. Ich setze mich aufs Sofa und nehme Jean auf den Schoß. Der Zauberer sucht jetzt ganz aufgeregt nach dem Leib Christi. Er wirkt wie ein übergroßes Kind, das sein Spielzeug verloren hat.
    Er dreht sich zu mir her. »Hast du ihn, Shenge?«
    Ich blicke beiseite. »Nein.«
    »Sieh mich an, Mädchen.«
    »Ich hab ihn nicht.«
    Ich klammere mich an Jean.
    Der Zauberer knipst das Licht aus. Jean fängt an zu lachen, denn sein Bauch glüht wie Christus. Der Zauberer macht das Licht wieder an, kommt auf uns zu und grinst ein böses Grinsen. Jean hat keine Angst vor dem alten Mann. Als der Zauberer sich Christus nehmen will, kämpft Jean gegen ihn und windet sich, um seinen Schatz zu behalten. Der Zauberer lacht,
aber Jean beißt ihm mit seinen acht Zähnen in die Finger. Ich wünschte, er hätte Eisenzähne und könnte dem Zauberer die ganze Hand abbeißen, denn das hier ist überhaupt nicht lustig. Der alte Mann aber veralbert uns, streckt die Zunge raus und zieht Grimassen. Wenn er lacht, kann man seinen Gaumen sehen und die vielen Löcher wegen der fehlenden Zähne. Als er vom zu vielen Lachen keuchen muss, nimmt er Jean Christi Leib weg und steckt ihn in seine Heidentasche.
    Tonton André ist enttäuscht und ruhelos. Seit ich ihm gesagt habe, dass meine Eltern nicht im Haus sind, hat er nicht mehr mit mir geredet. Ich bin auch wütend auf ihn, weil er mich belogen hat, und jetzt hat der Zauberer mein Kruzifix kaputt gemacht und Christi Leib gestohlen.
    Als ich Lärm im Schlafzimmer meiner Eltern höre, renne ich mit Jean hin, denn meine Eltern haben noch nie Besucher in ihr Schlafzimmer gelassen. Zwei Männer durchwühlen ihren Schrank. Einer ist kahl und hat eine fleckige, gelbe Hose an, die Beine hochgekrempelt – kein Hemd, keine Schuhe. Auf der Brust sind ein paar Locken zu sehen, der Bauch ist groß und prall. Der andere Mann ist jung, kaum volljährig. Haare und Bart sind so gepflegt, als käme er gerade vom Friseur. Er hat vorquellende Augen, ist hochgewachsen und trägt einen Jeansoverall, T-Shirt und dreckige blaue Turnschuhe.
    Der großbäuchige Mann verlangt, dass ich ihn umarme, und er wirft dem jungen Mann einen anzüglichen Blick zu. Ehe ich etwas sagen kann, streift er sich die gelbe Hose ab und grabscht nach mir. Aber ich entwische seinen Händen und krabble mit Jean unters Bett. Er zieht mich an den Fersen wieder vor und drückt mich zu Boden. Mit der Linken hält der Nackte meine Handgelenke umklammert, schiebt mit der Rechten mein Nachthemd hoch und zerrt an meiner Unterhose. Ich schreie aus Leibeskräften. Ich rufe nach Tonton André, der auf dem

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