Sag, dass du eine von ihnen bist
ihre Kinder in einem frei
en Äthiopien zu erziehen hätten. Und so sahst du an vielen Nachmittagen vor dem Hintergrund ferner Kaffeeplantagen und schöner Hügel Drachen aufsteigen, und du legtest eine Hand an die Augen, wenn sie sich in den weiten, hohen blauen Himmel aufschwangen.
An manchen Tagen war es gar nicht nötig, zu ihr oder zu dir zu gehen, um zusammen sein zu können. Nein, du und Beste Freundin, ihr standet einfach auf euren Balkonen und habt euch Kinderreime über die Straße zugerufen, über die braunen Vögel hinweg, die auf den Strom- und Telefonkabeln hockten. Die Kabel hingen voll mit abgestürzten Drachen, gefangen wie Schmetterlinge in riesigen Spinnweben. Deiner Mommy machten eure lauten Auftritte nichts aus, sie sagte, ihr wärt schließlich noch Kinder. Dein Daddy fand sie okay, wollte aber nicht, dass du zu laut wurdest, wenn er seine Siesta hielt, nach der er dich manchmal in seinem weißen Wagen spazieren fuhr. Selams Eltern passte euer Geschrei nicht besonders, nur was konnten sie schon dagegen tun?
Samstags gingen deine Mommy oder Emaye Selam manchmal mit euch beiden hinter die Kirche, zwei Straßen weiter, um euch das Haar flechten zu lassen. Wie Zwillinge habt ihr euch stets für denselben Look entschieden. An manchen Tagen bist du zu ihr gegangen, und ihr habt euch Disneyfilme angeschaut; manchmal kam sie zu dir, und ihr habt das Leiterspiel gespielt und doro wot oder Spaghetti gegessen.
Eines Sonntags, nach der Messe, zu der Selam mitkam, weil ihre Eltern verreist waren, fuhr Daddy mit euch zum Essen ins Hoteela Federalawi. Auf der langen, schönen Haile Selassie Arada habt ihr laut alle Plakate vorgelesen: Selam die auf der rechten, du die auf der linken Seite. Im Hoteela Federalawi entschied sich Daddy für einen Tisch draußen, unter dem großen Vordach, und ihr habt euch hingesetzt und auch die Speisekarte laut vorgelesen, während Daddy stolz zugesehen hat. Ihr habt beide Pizza bestellt, Daddy eine große Portion mahberawi .
»Sind Hamburger aus Schweinefleisch?«, fragte Selam und stopfte sich Pilze in den Mund.
»Wer behauptet das denn?«, fragte Daddy.
»Hadiya«, erwiderte sie.
»Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht mit Hadiya reden!«, hast du gerufen und deine Gabel fallen lassen. »Sie ist nicht unsere Freundin.«
»Ich hab ja auch gar nicht mit ihr geredet.«
»Ich red kein Wort mehr mit dir.«
»Tut mir leid.«
Du bist aufgestanden und hast deinen Stuhl ein Stück von ihrem Stuhl abgerückt.
»O nein, ai «, sagte Daddy und hat deinen Stuhl wieder an den von Beste Freundin herangerückt. »Jetzt ist aber Schluss damit, meine Damen. Beste Freundinnen streiten sich nicht, eshie? «
»Ja, Daddy«, hast du geantwortet. »Aber sie hat mit Hadiya geredet, Daddy, dabei hat sie mir versprochen, nie wieder ein Wort mit ihr zu reden.«
»Ich hab gar nicht mit ihr geredet. Sie ist einfach hergekommen und hat behauptet, ich gebe mich mit Christen ab und esse Schweinefleisch im Hoteela Federalawi, dann ist sie weggerannt. Außerdem hab ich schon gesagt, dass es mir leidtut, okay? Es tut mir leid.« Tränen traten ihr in die Augen. »Mit dir rede ich auch kein Wort mehr!«, rief Selam. »Ich umarm dich nicht mal mehr.«
»Ach nein, Selam«, mischte Daddy sich vermittelnd ein. »Sie meint's nicht so. Sie redet schon noch mit dir und setzt sich auch wieder zu dir.« Er drehte sich um. »Sei nicht gemein zu Beste Freundin, Liebling.«
Leute starrten euch an, und Kinder, die einen Geburtstag feierten, begannen zu kichern. Selam wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt. Daddy lockerte seinen Schlips, nahm sie in den Arm und tupfte ihr mit dem Taschentuch die Trä
nen ab. Eure Kellnerin, eine Frau mit silbernem Nasenring, kam und spöttelte, solch süße Schwestern sollten sich doch nicht streiten und ihren Dad nach der Kirche vor aller Augen in Verlegenheit bringen.
Daddy sagte: »Du verträgst dich jetzt wieder mit Selam, oder wie fahren zurück nach Hause … tolo! «
»Okay, Selam, tut mir leid«, sagtest du. »Ich red wieder mit dir. Beste Freundinnen, ja? Haben wir uns wieder lieb?«
Sie nickte. »Okay, beste Freundinnen …«
Und ihr habt euch geknuddelt. Die Kellnerin freute sich, klatschte Beifall und schob eure Stühle wieder zusammen.
»Also, liebe Selam, lass mich das sagen, ehe wir weiteressen«, fuhr Daddy wie zur Entschuldigung fort. »Du darfst dir immer bestellen, wonach dir ist und was für dich okay ist, aw ?«
»Ja, mein Daddy hat auch
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