Sag, dass du eine von ihnen bist
schon gesagt, dass ich Schweinefleisch essen darf, wenn ich mag.«
»Hat er das?«, fragte er und klang erleichtert.
»Ja.«
»Eigentlich wollte ich deinen Dad bitten, mit dir zu reden. Ich gehe nämlich heute Abend mit ihm ins Cinima Bahminya, um Premiership-Fußball anzusehen.«
»Ich wollte Beste Freundin ja nur erzählen, was Hadiya gesagt hat.«
»Genau deshalb mag ich deinen Dad«, erwiderte er und wuschelte ihr über den Kopf. »Ein aufgeschlossener, unvoreingenommener … netter Mann.«
Ihr habt euch hingesetzt, weitergegessen und mit langen, rotweißen Strohhalmen frischen Granatapfelsaft geschlürft. Ihr habt darüber geredet, was ihr spielt, wenn ihr nach Hause kommt, und wie sehr ihr euch auf den nächsten Schultag freut.
Eines Tages dann, nachdem du dir mit deiner Familie und der Familie von Beste Freundin das Jimma -Radrennen angesehen hattest, bist du nicht in deinem eigenen Bett, sondern in dem
von Mommy und Daddy aufgewacht. In der Wohnung roch es verbrannt. Die Straßen waren so gut wie leer, und Daddy sagte, heute fällt die Schule aus.
Den ganzen Vormittag sind deine Eltern dir nicht von der Seite gewichen. Ihr Schlafzimmer hatte keine Fenster, die auf Selams Wohnung hinausgingen. Sie setzten sich zu dir und schauten mit dir Zeichentrickfilme an, später haben sie dir von deiner Kindheit und von der Fernsehshow Yelijoch Gizay erzählt, die sie vor langer Zeit in Addis Abeba gesehen hatten. Daddy, der die Rolle von Ababa Tesfaye übernahm, erzählte dir viele Kindergeschichten; Mommy gab vor, Tirufeet zu sein, assistierte ihm und spielte manche Szenen nach.
Mommy erlaubte dir, ganz viel Zeit im Bad zu verbringen, und brachte deine Kleider in ihr Zimmer. Daddy ließ dich all deine Bücher laut vorlesen und sagte Gebete aus dem Gottesdienst auf. Sie hatten es nicht eilig, zur Arbeit zu gehen; sie hatten überhaupt keine Eile, irgendwohin zu gehen. Die Haushaltshilfe ließ sich nicht blicken.
Du gähntest und sprangst aus dem Bett.
»Ich gehe zu Beste Freundin.«
»Komm und setzt dich einen Augenblick«, sagte Mommy und klopfte auf den freien Platz zwischen sich und Daddy. Du bist zu ihnen gegangen und hast dich hingesetzt. Mommy sah Daddy an, der aber starrte an die Wand.
Er räusperte sich und sagte: »Liebling, wir wollen, dass du nicht mehr mit diesem Mädchen spielst.«
»Welchem Mädchen?«
»Diesem Muslim-Mädchen«, sagte Mommy und rückte mit ihrem mächtigen Leib näher an dich heran.
»Mit Beste Freundin?«
Schweigen.
Du sahst Mommy an, dann Daddy. Das können sie nicht ernst meinen, dachtest du und hast darauf gewartet, dass sie sagten, es sei nur ein Scherz. »Keine große Sache«, sagte Dad
dy achselzuckend. »Es gab Unruhen letzte Nacht. Häuser wurden in Brand gesteckt, auch in unserer Nachbarschaft.«
»Selams Haus?«
»Nein, das nicht«, sagte er.
»Darf ich rübergehen und mit ihr reden?«
» Ai . Wir haben nein gesagt«, antwortete Mommy und sah dir dabei direkt ins Gesicht.
»Nein? Ich will sie nur in den Arm nehmen. Bitte?«
»Wir verstehen, wie du dich fühlst«, sagte Daddy. »Ehrlich …, aber mit sechs bist du einfach noch ein bisschen zu jung, um diese Dinge zu begreifen.«
»Hör mal, Liebling«, sagte Mommy, »du bist unser einziges Kind … unser einziges Kind.«
»Aber sie fehlt mir so.«
»Weißt du, dass Selams Eltern ihr auch gesagt haben, dass sie sich von dir fernhalten soll?«, fragte sie.
»Wirklich? Emaye Selam? Abaye Selam hat das gesagt? Und wer spielt dann mit mir?«
»Wir«, antwortete Mommy.
Daddy streichelte deinen Rücken und übersetzte, was Mommy gesagt hatte: » Kanchi gara mechawet iwedallehu .«
»Aber wer spielt mit Selam?«
»Hadiya«, sagte er.
»Hadiya?«
»Oder ihre Brüder«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen deshalb.«
»Aber ich will nicht, dass Hadiya mit ihr spielt. Ich mag sie nicht.«
Du hast die Fernbedienung auf den Boden geworfen und bist in dein Zimmer gelaufen, ehe sie dich zurückhalten konnten. Du hast die Jalousie vom großen Fenster geöffnet und zu Selams Haus hinübergesehen. Ein Teil war verbrannt, nicht aber Selams Wohnung. Nach dem Feuer sah das Gebäude jetzt rot und schwarz aus. Einige ausgebrannte Wohnungen erinnerten
an leere, dunkle Höhlen, doch die grob gehauenen Steine wirkten solide wie eh und je. Man konnte jetzt die Innenwände und einen Teil der verbrannten Möbel sehen, weil es keine Jalousien und keine Fenster mehr gab.
Mit Selams Wohnung schien alles in Ordnung zu
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