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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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echt nicht ganz richtig im Kopf!«, erwiderte Tega. »Bloß weil ich nicht zugelassen hab, dass du mir meinen Gepäckplatz klaust.«
    »Bei allen Göttern und allen Geistern, na dein Kopf ist kaputt!«, gab sie zurück.
    »Vielleicht haben wir ihm zu viel Fansidah gegeben«, sagte Madame Aniema.
    »Er brauchte einen ordentlichen Schuss«, erwiderte Emeka.
    »Das war zu viel«, beharrte Madame Aniema und zog ihren Patienten näher zu sich. »Schließlich wissen wir nicht mal, ob er was gegessen hat.«
    »Geht's der Seele gut, geht's auch dem Körper besser.«
    Nachdem er das gesagt hatte, zog Emeka den Affenfellmantel aus und mühte sich mit Madame Aniema, dem Mann die Decke fortzunehmen, da sie beide glaubten, dass er nicht zuletzt deswegen so heftig schwitzte. Doch der Mann wollte die Decke nicht hergeben. Schließlich konnte Emeka sie ihm entreißen und schlug vor, dass die Leute im Gang dem Kranken Platz machten. Mitfühlende Passagiere drängten und argumentierten so lange, bis ein paar Leute im Gang bereit waren, für den Kranken zusammenzurücken. Emeka breitete die Decke aus und legte den Mann mit dem Rücken auf den Boden, wo er dicht umringt von Passagieren lag und manch einer über ihn hinwegsteigen musste. Der Platz war so schmal, dass man ihm
die Hände über der Brust faltete, als läge er in einem zu engen Sarg. Dann kam man überein, dass ein alter Mann aus dem Gang den Sitz des Kranken einnehmen sollte, bis der Fiebernde kräftig genug war, an seinen Platz zurückkehren zu können.
    Der Häuptling warf Jubril einen bösen Blick zu, als wollte er sagen: Hättest du dich anständig benommen, wärest du jetzt derjenige, der auf diesem Platz sitzen könnte. Jubril hatte dem Drama wie von fern mit einer Mischung aus Mitleid, Eifersucht und auch Widerwillen zugesehen. Als man sich mit dem Kranken um die Decke stritt, hätte Jubril am liebsten Emeka geholfen. Nur wusste er nicht, was er tun konnte. Wie hätte er mit einer Hand helfen sollen? Wie hätte er es mit seinem Hausa-Akzent wagen können, den Mund aufzumachen? Also betete er stumm für den Mann und wünschte sich, Allah möge den Tod von ihm fernhalten, zumindest, bis er an sein Ziel gelangt war.
    Jubril begann, eine seltsame Nähe zu diesem Mann zu fühlen: Malaria lähmte ihm die Zunge, weshalb er nur lallen konnte, Jubril durfte seinerseits nur so wenig wie möglich reden und musste sich einen anderen Akzent zulegen, wenn seine Tarnung nicht auffliegen sollte. Er beobachtete die Leute, wie sie dem Mann zusahen, und an ihren mitfühlenden Mienen erkannte er, dass es der Kranke wohl nicht lebend bis nach Hause schaffte. Sein Fieberausbruch hatte dem Kampf um mehr Platz im Bus einen Dämpfer verpasst, und die Flüchtlinge redeten jetzt mit verhaltenen Stimmen. Jubril fand es wirklich bewundernswert, wie Emeka die Leute dazu gebracht hatte, dem Kranken zu helfen und für ihn zusammenzurücken.
    Als er aber merkte, wie ein Mensch das Mitgefühl des ganzen Busses gewann, spürte er, dass er eifersüchtig wurde. Was könnte er tun, damit diese Leute auch ihn in ihr Herz schlossen? Wie könnte er dafür sorgen, dass sie ihm halfen, einen Platz zu finden oder den Häuptling zu bitten, ihm seinen Platz zurückzugeben, ohne dass er sich verriet? Mit einem Mal ertrug
er es nicht länger, den Mann am Boden anzuschauen. Sein Anblick erinnerte ihn an die vielen Leichen, die er unterwegs gesehen hatte. In Gedanken versuchte Jubril zwischen den Toten und jenen zu unterscheiden, die noch im Sterben lagen, aber es wollte ihm nicht gelingen.
    Immer wieder blickte er zur Busdecke. Sein Widerwille gegen den Kranken war mittlerweile so stark, dass er es vorzog, zu den Bildschirmen hinüberzusehen. Sie machten ihm jetzt nicht mehr so große Angst, auch wenn er seine Gefühle stärker zügeln musste, als wenn er zu den Frauen schaute. Er musterte die Drehknöpfe mit den Ringen drum herum und wünschte sich, die Dunkelheit der Bildschirme würde auch seine jüngsten Erinnerungen erfassen oder diese Erinnerungen würden ebenso in Käfige eingesperrt wie die Fernseher.
    »Was, wenn er stirbt?«, sagte Tega und zeigte auf den Kranken. »dann müssen wir schnell entscheiden, wetin wir mit der Leiche machen, chebi ?«
    »Willst nur die Leiche klauen? Oder hast du es auf den Platz von dem Toten abgesehen?«, fragte Ijeoma.
    »Wir müssen den Toten heimbringen«, sagte Emeka.
    »Nein, ich finde, wir müssen seinen Platz wem anderen geben!«, sagte Tega.
    »Es ist aber Tradition,

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