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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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im Land unserer Vorfahren begraben zu werden«, erwiderte Emeka.
    »Muss man eine Leiche mit sich rumschleppen, wenn wir eh schon so viele hier sind?«, fragte Tega.
    »Aber er hat die Fahrt bezahlt«, wandte Madame Aniema ein.
    »Und die Versicherung vom Luxusbus kommt für die Beerdigung auf«, sagte Emeka.
    »Wer fragt schon nach einer Leiche in diesen beschissenen wahala -Zeiten? Na große Krise, das haben wir.«
    »Bist doch bestimmt Muslim«, sagte Ijeoma. »Deshalb willst ihn schnell-schnell verscharren.«
    Im Bus wurde es schlagartig still.
    Viele Münder formten stumm das Wort Muslim , doch war niemand entschlossen, es laut auszusprechen. Stattdessen wandten sich alle zu Tega um, musterten sie neugierig und nahmen dann ihre Nachbarn näher in Augenschein. Es war, als hätte jemand mitten im Allerheiligsten gotteslästerlich geflucht. Jubril senkte den Blick und biss sich auf die Lippen. Er meinte zu spüren, wie alle Augen auf ihm ruhten, sagte sich aber immer wieder, dass er nicht gemeint war. Seinem Gefühl nach dauerte die Stille eine Ewigkeit. Er schloss die Lider und wartete darauf, dass die Schläge auf ihn niederprasselten.
     
    »Willst wohl die Leute gegen mich aufhetzen? Willst, dass sie mich umbringen, abi ?«, fragte Tega, als sie schließlich ihre Stimme wiederfand. Sie atmete schwer und zupfte an ihren Rastas, als wollte sie sich die Perlen aus dem Haar pflücken. Fassungslos stellte sie sich den misstrauischen Blicken ihrer Mitfahrer.
    »Sie ist keine Muslima!«, verkündete Emeka, und alle im Bus gaben ihm recht und beschimpften Ijeoma, weil sie Tega eine Muslima genannt hatte. Sie sagten, ein Streit ums Gepäck sei zu unbedeutend, um so viel Feindseligkeit gegen eine Mitchristin heraufzubeschwören. Und sie warfen ihr vor, Gott gegenüber undankbar zu sein, immerhin könne sie sitzen, wohingegen andere während der vielen hundert Meilen Rückfahrt nach Hause stehen mussten. Die Missstimmung schien nicht mehr enden zu wollen, manch einer verlangte sogar, dass Ijeoma sich bei Tega und dem ganzen Bus entschuldigte.
    »Mein Volk, mein Volk«, rief Häuptling Ukongo, stand auf und hämmerte mehrmals mit dem Stock auf den Boden, bis wieder Ruhe einkehrte. Als alle still waren, räusperte sich der alte Mann. »Die Angelegenheit gerät außer Rand und Band. Möge in diesem Bus niemand mehr die Worte Muslim oder Islam in den Mund nehmen. Zu viel haben wir bereits durch die Muslime erleiden müssen … Wenn der Mann stirbt, bringen wir ihn heim. Punkt.«
    »Genau!«, gab ihm ein anderer recht.
    »Häuptling, du sollst ewig leben!«, sagte jemand anderes.
    »Keiner soll was sagen, wey gegen Gottes Kinder ist!«
    »Ja, passen wir besser auf, was wir in diesem Bus reden«, stimmte Madame Aniema zu.
    Als sich das Gespräch erneut der Busversicherung zuwandte, begann Jubril wieder zu atmen. Er hatte keine Ahnung, wie es ihm gelungen war, auf den Beinen zu bleiben, als das Wort Muslim fiel und die Leute anfingen, die Gesichter ihrer Nachbarn zu mustern. Er hatte zwar sofort den Blick gesenkt, aber dennoch damit gerechnet, dass ihn jemand packen und als Betrüger entlarven würde, dass ihm jemand den Arm aus der Tasche zog. Es war, als wäre sein Verstand erstarrt, denn er hatte weder gehört, wie Tega ihre Unschuld beteuerte, noch, wie es dem Häuptling gelang, den Ärger der Leute von Ijeoma abzulenken. Sein Gehör schaltete sich erst wieder ein, als jemand »Genau!« rief.
    Jubril klemmte sich die Tasche zwischen die Knie und wischte sich mit der Linken den Schweiß von der Stirn. Das reichte nicht, also zog er ein Hemd aus der Tasche, trocknete sich damit Gesicht und Hals ab und versuchte gleichzeitig, auf das Gespräch um ihn herum zu achten. Als er das Hemd zurück in die Tasche stopfte, streifte seine Hand den Zettel, auf dem der Name vom Dorf seines Vaters stand. Das war wie ein Energiestoß. Er fragte sich, ob er das Papier hervorholen und sich ansehen sollte, entschied sich aber dagegen. Anschließend wackelte er in den Segeltuchschuhen mit den Zehen, um sicherzugehen, dass sie nicht eingeschlafen waren, und verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Er blickte sich im Bus um und lächelte sogar den Häuptling an, der aber keine Miene verzog.
    Er lauschte dem allgemeinen Geschwätz wie jemand, dem ein Märchen erzählt wird, zugleich hoffnungsvoll und voller Angst vor dem, was nachkommen könnte. Ihn überraschte, dass
eine Busgesellschaft ihre Fahrgäste gegen Verletzungen und

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