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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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Affenfellmantel. An den Füßen hatte er nur ein Paar schwarzer Socken, da seine Schuhe auf der Flucht vor fanatischen Muslimen verloren gegangen waren. Als Emeka dem Kranken Vorhaltungen machte, schrie ihn ein anderer Mann von hinten an, er solle seinen Ärger nicht an jemandem auslassen, der bloß eine harmlose Frage gestellt habe. Bald flogen Schreie und Flüche im Bus hin und her.
     
    »Du wartest nicht etwa auf mich , oder?«, fragte der Häuptling mit einem Blick auf Jubril.
    »Doch.«
    »Willst du dich streiten wie diese beiden Mädchen? Ich weiß nicht, warum sich die Menschen in diesem Land immer streiten müssen.«
    »Nein.«
    »Nein? Nein? Nein? So kannst du doch nicht mit mir reden.« Der Häuptling zuckte die Achseln. »Ich meine, schau mich an, schau dich an. Wie alt bist du?«
    »Sechzehn.«
    »Sprich lauter, Junge!«, herrschte ihn der Häuptling an. »Was hast du gesagt? Wie alt bist du?«
    Der harsche, laute Ton sorgte für Aufmerksamkeit, und Jubril wurde still. Er behalf sich mit Zeichensprache, zeigte ihm dreimal die fünf Finger seiner linken Hand, dann einen Finger.
    »Ach, bist jetzt auch noch stumm?«, wollte Häuptling Ukongo wissen.
    »Nein.«
    Der Häuptling seufzte, schüttelte den Kopf und verzog verärgert das Gesicht. Er klopfte mit den blank polierten Schuhen auf den Boden, langte dann nach unten und zog seinen Gehstock unterm Sitz hervor. Damit fuchtelte er vor Jubril herum. »Mit mir kannst du nicht so reden … in was für einer Welt leben wir denn? Nur weil es heißt ›Demokratie, Demokratie‹ kannst du doch nicht einfach mit mir sprechen, wie es dir passt. Wer bist du?«
    »'tschuldigung, Sir.«
    »Sir? Hör mal, brauchst wegen deinem edlen Bart nicht gleich ein feuerrotes Ziegenbockgesicht zu kriegen. Ich werfe dir ja nichts vor, nur dieser sogenannten Demokratie, trotzdem musst du mich anständig anreden. Mit ›Häuptling‹. Bin schließlich nicht deinesgleichen.«
    »Ja, Häuptling.«
    »Und wer bist du?«
    Jubril blickte zu Boden und betete, dass der Mann nicht auf einem Namen bestand.
    Der Alte schluckte vernehmlich und hob den Stock. »Möge Mami Wata dich mitsamt deinem blöden Schädel ertränken!«, sagte er, und wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schlug er mit dem Stock zweimal kräftig auf den Boden. Dann machte er sich wieder über seine Cabin Biscuits her.
    Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, hätte Jubril sich auch sonst wohin gesetzt, aber selbst der Platz, auf dem er stand, war vergeben. Wegen des großen Andrangs und dem Wunsch der Südbewohner, aus dem Norden zu fliehen, war sogar der Gang in Stehplätze unterteilt worden. Die Inhaberin des Platzes, auf dem er stand, eine schwangere Frau mit auf den Rücken geschnalltem kleinem Jungen, drängte ihn bereits, doch endlich beiseitezugehen. Erst einmal aber rückte Jubril nur näher zum Häuptling auf und beugte sich über dessen Kopfstütze, damit die übrigen Passagiere zu ihrem Sitz gelangen konnten. Indem
Jubril die Plastiktüte mit der rechten Hüfte an den Sitzplatz des Häuptlings drückte, sorgte er dafür, dass sein rechter Arm nicht in den Gang ragte.
    Da man ihn in Ruhe ließ, störte er dort, wo er stand, offenbar niemanden, weshalb es wohl in Ordnung gewesen wäre, hätte er sich in Gedanken den Ursachen für seine Flucht zugewandt, aber er widerstand der Versuchung. Lieber lenkte er sich ab und sah sich den Bus genauer an, wofür er seit dem Einsteigen keine Zeit gefunden hatte. Von der Toilette im hinteren Bus bis zur Rückseite des Fahrersitzes wanderte sein Blick über die Decke. Es war der einzige Freiraum im Fahrzeug, grau, aber sauber. Auch wenn einige Gepäckfachklappen noch offen standen und in den Deckenbereich hineinragten, kam er ihm riesig vor, erst recht, weil unten alles so überfüllt war. Die Neonlichter faszinierten ihn. Im Stillen zählte er die langen, flachen Leuchtröhren, die den Bus mit sanftem Licht erfüllten. Das war Teil des Luxusbusmythos, von dem ihm seine Freunde erzählt hatten: Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie es war, ständig Strom zu haben. Dabei fand er, dass Strom im Bus die reinste Verschwendung bedeutete, da doch die Sonne noch am Himmel stand, und er begriff auch nicht recht, wieso man für Überlandfahrten Licht brauchte. Könnte er bestimmen, würde im Bus völlige Dunkelheit herrschen, dann fiele es seinen Mitflüchtlingen auch schwerer, ihn zu entlarven. Allerdings verbot er sich jeden weiteren Gedanken daran, dass er geschnappt werden

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