Sag, dass du eine von ihnen bist
Bartholomew verliebte sich in Aisha. Ihr Verhältnis wurde allerdings rasch zum Problem – nicht, weil die beiden Verbotenes getan hätten, sondern weil niemand in dieser Gegend auch nur im Traum daran gedacht hätte, ein ernsthaftes Verhältnis mit einer Muslima einzugehen, schon gar nicht, sie zu heiraten. Shehu pflichtete den Dörflern bei: Er wollte nicht, dass seine Tochter einen Mann aus dem Süden heiratete und den Glauben wechselte. Die Leute aus Ukhemehi hatten nichts dagegen, dass Shehu mit seiner Familie das Land bestellte und das Vieh weidete, aber die Vorstellung, das schöne Mädchen und der attraktive junge Mann könnten zusammenkommen, beunruhigte die ganze Gemeinde, und man begann bereits, über sie zu tratschen, als hätte man sie zusammen im Bett erwischt.
Bartholomew sang im Chor von St. Andreas, der Dorfkirche, und war Mitglied in drei religiösen Vereinen: dem des heiligen Antonios von Padua, der Legio Mariae und im Rosenkranzverein, außerdem war er Mitglied der katholischen Jugendorganisation, der alle Jugendlichen der Gemeinde angehörten. Je besser er sich mit Aisha verstand, desto größer wurde der Druck seitens dieser Gruppen. Doch für ihn gab es kein Zurück. Zum Eklat kam es, als die beiden gegen die Engstirnigkeit der Gemeinde rebellierten und immer wieder für mehrere Tage nach Sapele, Warri oder Port Harcourt fortliefen.
Als Pater Paul McBride, einem optimistischen, aufgeschlossenen Iren, klar wurde, dass seine Kirche auf einen größeren Skandal zusteuerte, rief er die beiden zu sich, um ihnen ins Gewissen zu reden. Sobald sie ihn aber von ihren tiefen Gefühlen überzeugt hatten, sprach er mit den Eltern. Kurz darauf haben sie geheiratet. Aishas Familie war zwar muslimisch, doch hielt man es für keinen Abfall vom Glauben, wenn eine Frau zu einer »Religion des Buchs« wechselte, wie der Koran das Christentum und das Judentum nannte. Also konvertierte Aisha zum Katholizismus und wurde Mary getauft. Jubril war das zweite Kind dieser Ehe.
Und so wie Pater McBride drei Jahre zuvor bei der Taufe von Jubrils Bruder auf dem Namen Yusuf, Josef, bestanden hatte, dem Namen eines Heiligen, bei dem für die Missionare, so Pater McBride, kein Ruch von Heidentum mitschwang – wie bei den einheimischen Namen –, so entschied er sich bei Jubrils Taufe für Gabriel. Er vertraute das Kind dem Schutz des heiligen Gabriel an, des Erzengels.
Sie waren eine Vorzeigefamilie, ein Vorbild für Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Stämme und Religionen. In seiner Hochzeitspredigt nannte Pater McBride das Paar gar ein Symbol der Einheit in einem Land, in dem ethnischer und religiöser Hass unter dem Deckel aller nationalen Fragen brodelte; und er forderte das Dorf auf, sich an der Offenheit dieser Eheleute ein Beispiel zu nehmen. Vielleicht ließen sich die vielen Stämme und Religionen in diesem Land durch die Liebe solcher Eheleute zusammenschweißen, dachte sich Pater McBride; der den angeheirateten Verwandten gebührende Respekt sorgte zumindest für eine gewisse Toleranz. Er tat viel, um die Ehe zu fördern. Da Bartholomew und Mary arm waren, ersuchte Pater McBride die weißen Industriellen der nahen multinationalen Ölgesellschaft um Geld, auf dass damit die kulturelle Vielfalt, die sich in dieser Ehe manifestierte, gefeiert, ein Haus gebaut und ihrer Bedürftigkeit abgeholfen werde.
Doch es war eine schwere Zeit. Nach Jahrzehnten der Erdölförderung verlor das Land seine Fruchtbarkeit. In den Flüssen gab es kaum mehr Fische, und noch schlimmer war, dass Ölbrände immer wieder mehrere hundert Menschen das Leben kosteten. Shehu fürchtete um sein Vieh und zog bald nach der Hochzeit fort von den ölreichen Dörfern in einen anderen Landesteil im Süden.
Als Anhänger der alten Stammesreligionen forderten, man solle Mami Wati und anderen Gottheiten, deren Terrain angeblich entweiht worden war, Opfertiere darbringen, riet Pater McBride seinen Gläubigen, nicht auf diese Heiden zu hören. Das Problem verschärfte sich, als Kleinkinder Atemwegserkrankungen sowie eigenartigen Hautauschlag bekamen, und die Eingeborenen anfingen, in den Großstädten Zuflucht zu suchen.
Ohne jede Vorwarnung floh Aisha eines Tages mit den Kindern nach Khamfi, der Geburtsstadt ihres Vaters. Yusuf war fünf, Jubril zwei Jahre und drei Monate alt. Bartholomew war verzweifelt, und ihn überkam eine tiefe Trauer, die ihn schutzlos allen Sticheleien der Gemeinde auslieferte. Um ihre katholische Ehe zu retten, riet
Weitere Kostenlose Bücher