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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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schützen, wie ich es meist tat, wenn er wütend war. Ich dachte, er würde mich umbringen. Meine Familie zerbrach, und ich war schuld. Doch er stand nur da, verwirrt und zitternd vor Wut.
    Mama tätschelte ihm besänftigend die Schultern, aber er wischte ihre Hand beiseite und ging nach draußen, um sich zu beruhigen. Ich beobachtete ihn durch ein Loch in der Plane.
Schon bald verfluchte er sich laut dafür, dass er zu viel getrunken, Heiligabend verschlafen und die Chance verpasst hatte, die Touristen zu treffen. Als sich seine Gedanken dann Maisha zuwandten, sang er in die Nacht ›ein Jaguar ist ein Jaguar ist ein Jaguar‹, wobei er von Stein zu Stein hüpfte, auf den lockeren Pflastersteinen, die aus der Flut ragten wie die Schädel von Krokodilen, die in einem Fluss auf der Lauer lagen. Am Himmel zeichneten sich ein paar hohe Stadtgebäude ab, in denen vergessliche Mitarbeiter das Licht angelassen hatten, und einige Shoppingzentren waren mit Lametta geschmückt, mit Blinklichtern, die wie Engel auf der Jakobsleiter auf und nieder huschten. Die langen Citybusse, Babas Jagdgründe, waren für die Nacht geparkt. Und je leerer die Straßen wurden, desto schneller brausten die Autos durch die überschwemmten Straßen und warfen Wasserwände auf, die über unserem Verschlag zusammenbrachen.
    Als Baba wieder reinkam, griff er zwischen die Sparren, nahm seine halb aufgegessene miraa- Stange und begann zu kauen, den Koffer fest im Blick. Ein seltsames Lächeln troff ihm aus den Mundwinkeln. Zu guter Letzt war die lange miraa -Stange nur noch ein formloser Schwamm. In präzisen, hohen Bogen flog seine Spucke durch die Tür nach draußen, und schlagartig erhellte sich sein Gesicht. Er rief » Hakuna matata! «, wühlte im Karton, fand eine Drahtrolle und fing an, die Kofferräder an die Stützen unseres Verschlags zu binden. Einen Moment lang sah es aus, als könnte er Maisha wirklich daran hindern, uns zu verlassen.
    Mama wollte ihm ausreden, den Koffer festzumachen. » Bwanaaa  … hör auf damit! Sie geht, wenn sie dahinterkommt, dass du dich an ihren Sachen zu schaffen gemacht hast.«
    »Überlass das mir, Frau«, wies er sie zurecht. »Ich sitze hier jedenfalls nicht rum und lass zu, dass irgendwelche Honolulus mit meiner Tochter durchbrennen. Sie müssen sie anständig heiraten.«
    »Musst du gerade sagen«, erwiderte Mama. »Hast du etwa bei meinem Vater um meine Hand angehalten?«
    »Kein Mensch will Ärger«, sagte Baba. »Und du bringst nichts als Ärger. Ich brauche dich bloß anzufassen, schon wirst du schwanger. Ich sehe dich nur an – rumms, gibt's Zwillinge, einfach so. Bist zu reif, einfach zu reif.«
    »Immer bin ich das Problem«, sagte Mama mit lauter werdender Stimme.
    »Ich sag bloß, dass wir die Touristen gut behandeln müssen.«
    Atieno zitterte; ihre Hand ragte aus dem Verschlag nach draußen. Baba riss sie ins Innere und steckte Atienos Kopf durch das größte Loch in der Mitte unserer Zudecke. Auf diese Weise sorgten wir dafür, dass das Familienmitglied, das am dringendsten Wärme brauchte, den Platz in unserer Mitte behielt. Baba packte Otienos Füße und schob sie durch zwei Löcher am Deckenrand. »Kinder des Jaguar«, flüsterte er den Kleinen ins Ohr. »Weihnachtsjaguar.« Er versuchte, Atieno und Otieno ordentlich zuzudecken, rückte sie hierhin und dorthin, aber ohne Erfolg. Dann verlor er die Geduld und rollte sie zueinander wie eine schlecht gewickelte Roulade, so dass sie beide die Füße im Gesicht, die Knie an der Brust des jeweils anderen hatten – ein warmer Schoß aus Decken.
    Mama ermahnte ihn, die Tür zu verkeilen, aber Baba weigerte sich. Er wollte, dass wir noch auf Maisha warteten, und blinzelte mir zu, als wachte ich mit ihm über unser Glück. Mama gab mir Baby und legte sich hin. Ich hockte da und schnüffelte kabire , bis ich ganz benebelt war. Mein Kopf schwoll an, unser Dach sackte durch, bebte und verschmolz mit dem Himmel.
    Ich schwebte. Meine Knochen waren entflammt, meine Gedanken flogen wie elektrische Ströme hinaus in die Nacht, die Gegenströme flossen ineinander; ein Funkenregen, und ich hing an der Tür vom Citybus, fuhr zur Schule. Ich versteckte
meine Uniform in der Tasche, damit ich wie alle anderen Straßenkids umsonst fahren konnte; Zahlen und Buchstaben sprangen mich an, huschten über die Seite, als hätten sie mir etwas zu sagen. Immer schneller flackerte das Feuer auf, immer heller brannten die Schultafeln. Im Licht der Sonnenstrahlen, die durch

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