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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Tor aufzustoßen. Der Riegel ist eingerostet, sodass ich mir die Fingerknöchel aufschürfe, als ich daran ruckele, bis er nachgibt. Die Angeln quietschen ächzend. Der Pfad zum Haus ist mit Unkraut überwuchert. An den Stellen, wo meine Jeans aufgerissen ist, brennen Nesseln auf meiner Haut.
    Ich blicke zu den Fenstern auf und suche nach einem Zeichen von Leben. Das Haus guckt stirnrunzelnd zurück. Im Vorgarten liegen verrostete Geräte herum – eine Kühlschranktür, eine Wäschemangel und ein verkohltes Teil, aus dem Kabel ragen.
    Die Haustür ist mit billigem Sperrholz zugenagelt. Mir ist zum Heulen zumute. Ich drehe mich zu der Straße um und frage mich, ob ich weitergehen oder versuchen sollte, ins Haus zu kommen, um mich aufzuwärmen. Vielleicht gibt es Decken. Vielleicht kann ich ein Feuer anzünden.
    Ich kralle meine Finger hinter das Sperrholz, ruckele daran und ziehe, meine nutzlosen Hände verfluchend, Nägel aus dem morschen Holz. Als die Lücke breit genug ist, krieche ich auf allen vieren hindurch und bleibe drinnen einen Moment sitzen, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben.
    Das Haus ist alt und riecht nach Feuchtigkeit und Schimmel. Die Räume sind bis auf zerbrochene Dachpanelen und ein paar ausrangierte Möbelstücke leer. Decken finde ich keine, und ich habe auch keine Streichhölzer, um ein Feuer anzuzünden.
    In der Küche steht ein roter Kunststofftisch. Ich drehe den Wasserhahn an dem Waschbecken auf, doch er dreht sich trocken ins Leere. Ich habe Durst.
    Durch das schmutzige Fenster sehe ich eine Scheune mit einem schrägen Dach ohne Seitenwände. Runde Strohballen stapeln sich bis zu den Balken. Irgendwo in der Nähe muss ein Bauernhof sein.
    Ich entriegele die Küchentür und gehe nach draußen. Dort steht ein Wassertank mit einem Hahn. Ich drehe ihn auf und lasse das Wasser ein paar Sekunden lang laufen. Dann schöpfe ich es mit der Hand in den Mund. Es ist süß. Noch nie hat etwas so gut geschmeckt.

43
    Ruiz steht im Vorgarten und späht durch ein Fenster. Er legt die Hände an die Scheibe und wartet, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben.
    »Kannst du irgendwas sehen?«
    »Auf dem Küchenfußboden liegen Scherben«, sagt er.
    »Was für Scherben?«
    »Eine Vase oder ein Teller vielleicht.«
    »Aus Versehen?«
    »Kann sein.«
    Dale Hadley wartet im Wagen. Ruiz geht zurück zur Haustür. »Weißt du, was der Unterschied zwischen einem Anfangsverdacht und einem hinreichenden Tatverdacht ist?«
    »Nicht wirklich.«
    »Bei einem Anfangsverdacht vermutet eine vernünftige Person, dass eine Straftat begangen wurde oder begangen wird. Ein hinreichender Tatverdacht ist es, wenn ein vernünftiger Mensch glaubt , dass eine Straftat begangen wird oder begangen werden soll. Verstehst du den Unterschied?«
    »So einigermaßen.«
    »Gut. Dann kannst du ihn mir später erklären.«
    Er dreht sich auf einem Fuß und tritt mit dem Absatz seines Schuhs gegen das Schloss. Holz splittert. Die Tür schwingt scheppernd auf. Ruiz geht durch das offene Wohnzimmer und ruft Emilys Namen. Der Küchenfußboden ist mit zerbrochenem Geschirr übersät, das nicht fallen gelassen, sondern zertrümmert wurde.
    Ruiz sucht im Erdgeschoss, ich übernehme den ersten Stock. Emilys Zimmer liegt rechts vom Treppenabsatz. Ihr Bett ist ungemacht, Kleidung quillt aus den Schubladen, ein krasser Gegensatz zu dem Rest des Hauses, das sauber und aufgeräumt ist.
    Die Unordnung wirkt wie das übliche Chaos eines Teenagers – ich habe selbst einen zu Hause, obwohl Emily auf mich keinen so mürrischen und unorganisierten Eindruck gemacht hat wie Charlie. Aus einem ihrer Schulbücher sind Seiten herausgerissen worden. Im Papierkorb liegt ein Zugfahrplan.
    Ich ziehe die oberste Schublade auf und entdecke einen Bilderrahmen, der verkehrt herum auf einem Ordner liegt. Es ist das Porträt einer Frau. Sie ist hübsch und lächelt, hat lange Haare und vertraute Augen: Emilys Mutter.
    Ruiz ruft von unten. Ich folge dem Klang seiner Stimme bis zur Garage. Er hat die Modelleisenbahn entdeckt und grinst wie ein Schuljunge.
    »Wie cool ist das denn?«
    »Meinst du nicht eher nerdig?«
    »Komm schon, wolltest du nie Lokomotivführer werden?«
    »Nein.
    »Lass mich raten: Du wolltest schon als kleiner Junge Psychologe werden?«
    »Was ist daran verkehrt?«
    »Du warst ein echt trauriges Kind.«
    Mein Handy erwacht vibrierend zum Leben. Ich klappe es auf.
    »Wir haben das Signal trianguliert«, sagt Drury. »Piper

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