Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
und mitgenommen kratzt er mit seiner unbehaarten Hand die Bartstoppeln an seinem Kinn. Eine Seite seines Gesichts ist geschwollen und verfärbt sich langsam.
DCI Drury und DS Casey betreten den Raum. Martinez springt auf.
»Das wurde aber auch verdammt noch mal Zeit.«
»Setzen Sie sich, bitte«, sagt Drury.
»Haben Sie Emily gefunden? Haben Sie mit ihrer Mutter gesprochen?«
»Setzen Sie sich.«
»Dahinter steckt bestimmt diese Schlampe. Sie hat es die ganze Zeit geplant.«
Drury weist erneut auf den Stuhl. Die beiden Männer starren sich an, Martinez blinzelt als Erster und setzt sich. Er schlägt die Beine übereinander und wippt mit dem Fuß.
»Fürs Protokoll«, sagt der DCI , »wir zeichnen dieses Gespräch auf. Mr Martinez, können Sie bestätigen, dass man Ihnen Ihre Rechte vorgelesen hat?«
»Ja.«
»Wo waren Sie gestern Nachmittag zwischen 14 und 15 Uhr?«
»Ich habe meine Tochter gesucht. Sie ist weggelaufen.«
»Warum?«
»Wir haben uns gestritten.«
»Wie haben Sie sich die Blutergüsse im Gesicht zugezogen?«
Martinez berührt seine Wange. »Sie ist durchgedreht. Hat mit Sachen nach mir geworfen.«
»Worum ging es bei dem Streit?«
Martinez seufzt. »Emily wollte Weihnachten mit ihrer Mutter verbringen. Ich habe ihr erklärt, dass sie am zweiten Weihnachtstag nach London fahren könne, aber nicht vorher. Sie wollte nicht hören.«
»Sie hat Sie geschlagen?«
»Ja.«
»Haben Sie sie auch geschlagen?«
»Nein. Ich meine … ich habe versucht, sie davon abzuhalten, sich selbst wehzutun. Sie war völlig außer Kontrolle. Hysterisch.«
»Haben Sie sie geschlagen?«
»Hat sie das behauptet? Sie übertreibt. Sie ist ein typischer Teenager. Stur. Undankbar. Melodramatisch.«
»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
»Gestern Morgen um Viertel nach acht.«
»Warum haben Sie sie nicht als vermisst gemeldet?«
»Ich habe erst später gemerkt, dass sie weggelaufen ist. Ich dachte, sie wäre zur Apotheke gegangen. Als sie bis zum Mittag nicht nach Hause gekommen war, habe ich angefangen, mir Sorgen zu machen.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich habe sie gesucht. Ich habe ihre Freundinnen angerufen. Ich habe einen Fahrplan in ihrem Zimmer gefunden. Da wurde mir klar, dass sie nach London gefahren war. Ihre Mutter lebt in einer Pension in Ealing. Ich bin hingefahren, doch Amanda weigerte sich, mich zu sehen, und die Wirtin drohte, die Polizei zu rufen.«
»Sie haben Emily nicht gesehen?«
»Sie hat sie bestimmt irgendwo versteckt.«
Drury wartet und legt dann übertrieben langsam einen Plastikbeutel der Spurensicherung vor Martinez auf den Tisch.
»Ist das Ihre Brieftasche?«
»Ja.«
»In der Innenklappe ist das Foto einer jungen Frau.«
»Emily. Na und?«
Drury legt einen zweiten Plastikbeutel auf den Tisch.
»Erkennen Sie das?«
»Das ist eine meiner Figuren: der Stationsvorsteher. Ich habe eine Modelleisenbahn. Woher haben Sie das?«
»Sind Sie sicher, dass sie Ihnen gehört?«
»Absolut. Ich habe sie bei Aiden Campbell bestellt, einem berühmten Modellbauer. Ich habe ihm ein Foto geschickt. Woher haben Sie die?«
»Sie wurde in einer stillgelegten Fabrik gefunden, in der Piper Hadley und Natasha McBain unserer Vermutung nach drei Jahre lang gefangen gehalten wurden.«
Martinez blinzelt Drury perplex an, zieht die Brauen hoch und breitet die Hände aus, unsicher, ob er irgendetwas verpasst hat.
»Sie machen Witze.«
Drury antwortet nicht.
Martinez schwenkt einen Finger in der Luft. »O nein, Sie wollen doch nicht andeuten …«
»Ich bitte Sie um eine Erklärung.«
Martinez runzelt die Stirn und zieht seine Gesichtszüge zusammen. »Das ist lächerlich. Da will Sie irgendjemand auf eine falsche Fährte locken.«
Martinez wendet sich dem Spiegel zu, als wüsste er, dass er beobachtet wird. Vielleicht betrachtet er auch sein Spiegelbild, weil er eine Bestätigung sucht, dass ihm das hier tatsächlich passiert.
Ich beobachte ihn von der anderen Seite des Einwegspiegels auf Zeichen von Stress oder Täuschung, aber nichts wirkt zusammenhanglos, improvisiert oder hastig zusammengekleistert.
»Er ist gut«, sagt Ruiz.
»Ja, das ist er.«
»Sagt er die Wahrheit?«
»Über Emily … kann sein.« Ich habe den Fahrplan in ihrem Zimmer gesehen.
»Ich sollte seine Exfrau überprüfen. Ich glaube, ich werde nach London fahren.«
»Einen Versuch ist es wert.«
Ich umarme den großen Mann und wünsche ihm noch einmal frohe Weihnachten.
»Was hast du vor?«, fragt
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