Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
selbst betrügen kann, andere täuschen?‹«
Drury sieht auf die Uhr.
»In ein paar Stunden wachen meine Kinder auf. Ihre Geschenke liegen unter dem Baum. Ich wäre gern dort.«
»Lassen Sie mich mit Martinez reden.«
»Das kann ich nicht machen – es ist gegen die Bestimmungen.«
»Tragen Sie mich als Besucher ein. Keine Kameras. Keine Aufzeichnung.«
»Dann ist es vor Gericht nicht zulässig.«
»Piper zu finden ist wichtiger.«
Der DCI wiegt den Kopf hin und her und saugt Spucke zwischen den Zähnen ein. »Martinez müsste einwilligen.«
»Fragen Sie ihn.«
»Warum sollte er zustimmen?«
»Er ist ein Showman. Er will ein Publikum.«
47
Phillip Martinez blickt auf, als die Tür aufgeht, und sieht mich mit einer Mischung aus Hoffnung und Beklommenheit an.
»Haben Sie Emily gefunden?«
»Noch nicht.«
Er schließt die Augen und zeigt seine langen Wimpern, ein Abbild des Elends, ein Mann, der auf einer verlassenen Insel gestrandet ist und auf Rettung wartet. In dem Luftzug steigt mir ein Hauch seines Schweißes in die Nase, der in seiner Kleidung getrocknet ist.
»Erinnern Sie sich an mich?«, frage ich ihn und nehme ihm gegenüber Platz.
»Selbstverständlich.« Er betrachtet mich vorsichtig. »Soll ich Sie Professor oder Doktor nennen?«
»Ich bin kein Doktor.«
»Sie haben drei Jahre Medizin studiert.«
»Woher wissen Sie das?«
Martinez erlaubt sich ein Lächeln. »Sie haben drei Mal mit meiner Tochter gesprochen. Selbst in Ihren kühnsten Träumen können Sie nicht geglaubt haben, dass ich mich nicht über Sie informiere.«
»Das ist sehr gewissenhaft.«
»Ich bin immer gewissenhaft, Professor. Ich bin leitender Forscher an einem der größten Institute Europas. Ich habe zwanzig Mitarbeiter und ein Budget von dreizehn Millionen Pfund. Halten Sie mich nicht für dumm.«
»Das würde ich nie tun.«
Zufrieden mit seiner ersten Salve lehnt er sich zurück.
»Wir haben einen schlechten Start erwischt«, sage ich. »Ich werde Sie nicht anlügen, wenn Sie mich nicht anlügen.«
»Das habe ich bis jetzt noch nicht getan«, sagt er.
»Sie haben die Unwahrheit gesagt, was die Gründe für Ihre Rückkehr aus Amerika angeht. Sie wurden beschuldigt, Daten für eine Studie zur Krebsbehandlung gefälscht zu haben, und von akademischen Prüfern öffentlich gerügt.«
Martinez bewegt kaum einen Muskel. Seine glänzenden, gierigen Augen erinnern mich an die Puppe eines Bauchredners.
Ich setze ihm weiter zu. »Zwei Zeitschriftenartikel wurden unter Ihrem Namen veröffentlicht. Sie haben unter Vortäuschung falscher Daten Forschungsmittel erhalten, die Sie später zurückzahlen mussten.«
Sein Kiefer zuckt, sein Blick wird glasig.
»Selbst in Ihren kühnsten Träumen, Mr Martinez, können Sie nicht geglaubt haben, dass ich mich nicht über Sie informiere.«
Das ist er – der Punkt, an dem die Fassade bröckelt. Er beugt sich vor und bleckt die Zähne.
»Wie können Sie es wagen«, faucht er. »Wie können Sie es wagen, mich zu beleidigen und meine Moral infrage zu stellen! Gucken Sie sich an! Sie sind krank! Sie funktionieren nur wegen der Medikamente, die Leute wie ich entdeckt und getestet haben. Ihr Zustand verschlechtert sich. Die Krankheit frisst an Ihren Nerven, beraubt Sie Ihres Gleichgewichts, Ihrer Bewegungs- und Sprachfähigkeit und irgendwann Ihres Verstands. Eines Tages in nicht allzu vielen Jahren werden Sie ein zuckender, zitternder Haufen Knochen sein, unfähig, sich zu bewegen, zu sprechen oder sich selbst zu ernähren. Anstatt meinen Ruf zu schädigen, sollten Sie beten, dass ich ein Heilmittel entdecke. Sie sollten um meine Hilfe betteln, Sie aufgeblasener, selbstgerechter Klugscheißer. Sie brauchen Leute wie mich.«
Ich sehe die Spuckefetzen aus seinen Mundwinkeln fliegen und erkenne einen klassischen Narzissten, einen Perfektionisten, der von seinem eigenen Ego und übersteigerten Selbstwertgefühl beherrscht wird; jemanden, der niemanden akzeptieren kann, der das sorgfältig gestaltete, makellose Bild anzweifelt, das er von sich erschaffen hat. Er würde eher den Boten vernichten, als die Botschaft zu hören.
Er lehnt sich zurück, das Feuer in ihm brennt immer noch. Er möchte, dass ich mich entschuldige. Er erwartet es.
So weit komme ich ihm entgegen. »Entschuldigen Sie, Mr Martinez. Ich wollte Ihre professionelle Integrität nicht infrage stellen.«
Er tut es mit einer wegwerfenden Handbewegung ab.
»Darf ich Sie etwas fragen?«
Er nickt.
»Hat der Name George
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