Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
entriegelt.
»Der Boss hat sein Telefon ausgeschaltet«, sagt er, das eigene Handy am Ohr. »Vor Ende des Einsatzes schaltet er es bestimmt nicht wieder ein. Nachrichten nur im absoluten Notfall.«
Casey starrt auf das Display und überlegt, ob er eine Nachricht hinterlassen soll. Er will sich absichern.
»Ich werde es DCI Drury erklären«, sage ich und nehme auf dem Beifahrersitz Platz.
Wir verlassen den Parkplatz und fahren über die Marcham Road. Die Straßen sind verlassen. Die Leute sind in ihren Häusern, feiern Weihnachten, essen Truthahn mit Füllung, Plumpudding mit Vanillesauce und dösen noch vor der Weihnachtsansprache der Queen vor ihren Fernsehern ein.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir das machen«, sagt Casey. »Grievous ist einer von den Jungs.«
»Wie gut kennen Sie ihn?«
»Er ist ein Kumpel.«
»Sie waren also schon mal bei ihm zu Hause?«
»Nein.«
»Haben Sie seine Verlobte mal getroffen?«
»Bis jetzt nicht.«
»Sie ist noch nie auf ein Glas mit in den Pub gekommen oder hat Grievous vor dem Revier abgesetzt?«
»Nein.« Casey zögert. »Er ist noch nicht lange bei uns. Vielleicht ein halbes Jahr.«
»Wo war er vorher?«
»Bei den Uniformierten … unten.«
Der DS biegt scharf in die Drayton Road und folgt ihr vorbei an Ock Meadow nach Süden. Zwischen den Kreuzungen gibt er Gas.
Fakten verschieben sich in meinem Kopf, lösen sich und setzen sich zu neuen Bildern zusammen wie Fragmente einer Collage, die eine neue Wirklichkeit schaffen. Die Vergangenheit wird umgebildet, Geschichte neu geschrieben, Erklärungen werden auf den Kopf gestellt.
Laut denkend erkläre ich, dass Grievous an dem Abend Dienst hatte, als Piper und Natasha verschwunden sind. Die Mädchen mussten auf ihrem Weg zum Freizeitzentrum direkt an ihm vorbeigelaufen sein. Außerdem hat er als Sicherheitsbeamter bei Gericht gearbeitet, als sie im Prozess gegen Aiden Foster vor dem Oxford Crown Court ausgesagt hatten.
»Das könnte auch Zufall sein«, sagt Casey.
»Erinnern Sie sich an das Bauernhaus, den Schneesturm? Augie Shaw hat gesagt, er habe Natasha auf der Straße gesehen. Barfuß. Panisch. Jemand hätte sie verfolgt.«
»Der Schneemann«, sagt Casey.
»Ich glaube, es war jemand in einem weißen Overall, ein Freiwilliger des Such- und Rettungsdienstes. Grievous arbeitet für Ox SAR .«
»Viele Männer arbeiten als Freiwillige.«
»Sein Overall riecht nach Bleichmittel.«
»Ist das alles, was Sie zu bieten haben? Phillip Martinez hat ein Motiv und kein Alibi. Der Typ ist ein Kontrollfreak, das haben Sie selbst gesagt. Er hat eine medizinische Ausbildung. Er hätte diese Sachen machen können … Sie wissen schon … mit Natasha.«
Casey will die Worte nicht aussprechen.
»Grievous hat zwei Jahre als Krankenpfleger gearbeitet, bevor er Sicherheitsbeamter bei Gericht geworden ist.«
»Woher wissen Sie das?«
»Er hat es mir erzählt.«
»Was ist mit der Figur, die Sie in der stillgelegten Fabrik gefunden haben?«
»Grievous war mit mir bei Phillip Martinez. Er hat die Modelleisenbahn gesehen. Er hätte den Stationsvorsteher einstecken und am Tatort deponieren können, um den Verdacht auf Martinez zu lenken.«
»Sie reden von ihm wie von einem kriminellen Mastermind. Er ist Detective Constable zur Ausbildung, Herrgott noch mal.«
»Dann tun Sie mir den Gefallen. Wir klopfen an seine Tür und wünschen ihm frohe Weihnachten.«
»Und dann?«
»Dann gehen wir wieder. Ein Drink. Mehr nicht.«
Der DS ist nicht überzeugt. Ich dränge ihn, einem Kollegen zu misstrauen und damit eine besondere Verbundenheit zu verraten. Polizisten kümmern sich umeinander und halten sich gegenseitig den Rücken frei. Sie verbringen ihre Freizeit und ihren Urlaub zusammen und heiraten in die Familien anderer Polizisten ein. Sie sind Waffenbrüder, Außenseiter, verhasst, bis man sie braucht, die Bestatter der Lebenden.
Über Funk hört man, dass der Einsatz in North Oxford begonnen hat. Die Polizei rückt von Stockwerk zu Stockwerk vor und sucht im Keller nach versteckten Tunneln und geheimen Kammern.
Wir sind fast da. Hundert Meter von dem Haus entfernt parkt Casey den Wagen. Wir sind in einem neueren Viertel von Abingdon mit zweistöckigen Doppelhäusern, einige mit ausgebauten Speichern und Garagen. Winterliche Bäume zeichnen sich vor den hellen Backsteinfassaden ab. Giebel und Fenster sind mit Weihnachtsbeleuchtung verziert.
»Wir sagen also nur kurz Hallo?«, fragt Casey.
»Absolut.«
»Und dann
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