Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
sie sich löst, packe ich sie, ziehe sie fest an mich und höre sie leise ausatmen. Ihr Mund ist offen. Es gibt nichts mehr zu sagen.
Später in der Nacht oder am frühen Morgen liegt sie neben mir, den Kopf an meiner Schulter, ihren rechten Arm über meiner Brust.
»Ich dachte, du wolltest Nein sagen«, murmele ich und streiche mit den Fingern über ihre Brüste.
»Ich habe keine Selbstkontrolle.«
»Vielleicht sollte ich mich entschuldigen.«
»Dafür ist es jetzt ein bisschen spät.« Sie küsst meine Fingerspitzen. »Es war auf jeden Fall anders.«
»Auf eine gute Art?«
»Unbedingt wiederholenswert.« Sie rollt sich aus dem Bett. »Leider nicht heute Nacht. Ich muss morgen früh raus.«
»Das heißt, du schläfst mit mir und lässt mich dann sitzen?«
Sie ist im Bad und kleidet sich an. »So ist es nicht.«
»Wie ist es denn?«
»Kompliziert.«
»Triffst du dich noch mit jemand anderem?«
»Das Ganze war wahrscheinlich ein Fehler.«
»Mach keine Tragödie draus. Wir werden es beide verkraften.«
Sie betrachtet sich im Spiegel und richtet ihr Haar. Eine Frau, die sich zurechtmacht, hat immer etwas sehr Sinnliches.
»Bist du verheiratet?«, frage ich.
»Nein.«
»Was ist es dann?«
»Nichts.«
Sie zieht ihren Mantel an und küsst mich auf die Wange. Auf dem Fußboden liegt eine Notiz, die jemand unter der Tür durchgeschoben hat. Sie hebt sie auf und liest stirnrunzelnd den Namen des Absenders.
Es ist eine handschriftliche Botschaft von DCI Drury.
Nachrichtensperre aufgehoben: Der Sturm bricht los.
Ich habe ihn nicht kommen hören.
Er sitzt im Schatten, nur seine Hände und Knie sind im Licht. Mein Herz setzt kurz aus, ich atme stockend ein und krieche in die Ecke der Pritsche.
Er beugt sich vor, sodass auch sein Gesicht zu sehen ist.
»Guten Morgen, Prinzessin.«
Um seine Augen bilden sich kleine Fältchen.
Als wir noch zu zweit waren, ist er nie die Leiter heruntergekommen. Jetzt, wo ich allein bin, ist er selbstbewusster. Ich hatte lange Zeit keine Gelegenheit mehr, ihn von Nahem zu betrachten – seit Jahren nicht. Er ist ein Mann, den man schnell vergisst; einer, der einem nicht auffallen würde.
»Du hast bestimmt Hunger. Bist du bereit hochzukommen?«
Ich schüttele den Kopf.
»Auf dich wartet ein warmes Bad. Und ein warmes Essen.«
Er lächelt mit einer Mischung aus Mitgefühl und trockenem Humor.
»Wo ist Tash?«
»Mach dir um sie keine Sorgen.«
»Geht es ihr gut?«
George blickt zum Fenster. »Es war sehr dumm von dir, ihr bei der Flucht zu helfen. Ich weiß, was du getan hast. Ich weiß, wie du es getan hast.«
Meine Blase ist voll. Ich muss auf die Toilette.
Er geht in dem Keller hin und her, bleibt am Waschbecken stehen und betrachtet die leeren Dosen, als hätte er Angst, sich mit irgendwas anzustecken.
Er zeigt auf die Leiter. »Ich gehe jetzt nach oben. Du weißt, was passiert, wenn du nicht zu mir kommst? Erinnerst du dich an den Schlauch?«
Er packt die unterste Sprosse und klettert locker nach oben, balanciert auf der obersten Sprosse und schwingt sich durch die Luke wie ein Turner. Er guckt durch das Loch nach unten.
»Komm schon, Piper. Du willst es doch auch.«
»Werden Sie mir wehtun?«
»Warum sollte ich?«
»Sie haben Tash wehgetan.«
»Sie hat nicht gehorcht.«
Ich sehe mich in dem Raum um – nach einer Waffe oder einem Ausweg.
»Lass mich nicht warten, Piper.«
Ich will die Leiter nicht hochklettern, doch ich lebe seit Jahren in diesem Loch. Ich möchte andere Wände sehen.
»Ich habe ein warmes Essen für dich«, wiederholt er. »Ein warmes Bad.«
Ich steige nach oben. Eine Hand folgt der anderen. Immer höher. Ich strecke die Arme über den Kopf. Er packt meine Handgelenke und hebt mich locker hoch. Er zieht mich bis an den Rand der Falltür und weiter auf meine Füße.
Dann lässt er mich los. Der Raum ist dunkel. Ich stehe unter einer Eisentreppe. George geht durch eine Tür in einen zweiten Raum und macht mir ein Zeichen zu folgen. Er trägt ein Jackett und Cordhose – Klamotten, wie sie mein Vater tragen würde.
Wir sind in einer Werkstatt oder Fabrik mit hohen Decken und schmalen hohen Fenstern. Der Putz blättert von den Wänden, einige Platten der Deckenvertäfelung sind zerbrochen. Ich bemerke eine Gefriertruhe mit einem blinkenden roten Licht, einen Tisch, zwei Plastikstühle, Kisten, Tonnen. Dann rieche ich das Essen. Grillhähnchen. Noch warm.
Er reißt die Tüte auf. Ich denke, dass ich vor Hunger ohnmächtig werde.
Weitere Kostenlose Bücher