Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
tatsächlich im Oktober abge schickt, zwei Monate nach dem Verschwinden der Mädchen. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt war die Polizei im Begriff, die Ausreißertheorie zu verwerfen. Vielleicht wollte der Entführer weitere Verwirrung stiften.«
»Er ist davon ausgegangen, dass Emily den Brief jemandem zeigen würde.«
»Hätten Sie das nicht getan?«
Drury steht auf, geht ans Fenster und starrt in matter Verwirrung auf die Straße.
Mich quälte immer noch diese eine Frage. »Woher wusste Piper, dass Emily am Bahnhof gewartet hat?«
»Emily könnte gelogen haben, als sie gesagt hat, sie hätte sie nicht mehr gesehen«, meint er.
»Sie wirkt ernsthaft reumütig. Verängstigt.«
»Und wie lautet Ihre Theorie?«
»Es gibt drei Möglichkeiten. Entweder jemand hat sie am Bahnhof gesehen, oder Emily hat es jemandem erzählt, oder der Entführer hatte Zugang zu Informationen, die geheim gehalten wurden.«
»Vic McBain war in dem Café«, sagt Drury. »Ich werde ihn beschatten lassen.«
»Es könnte trotzdem Zufall sein.«
»Ja, also, Sie wissen doch, was man über Zufälle sagt … einige erfordern eine Menge Planung.«
Er hat mich nicht vergewaltigt.
Ich hab mich noch mal übergeben … über all seine toten Tiere. Das Grillhähnchen kam noch schneller wieder raus, als ich es reingestopft hatte.
George hat mich ins Gesicht geschlagen, und ich habe gespürt, wie etwas Warmes aus meiner Nase getropft ist. Dann hat er mich wieder in mein Loch geworfen und mir die Decken abgenommen.
Er hat ein Walkie-Talkie dagelassen, ein grünes Plastikteil mit einer kleinen Antenne und einem Knopf an der Seite. Es sieht aus wie ein Kinderspielzeug.
»Wenn du nett zu mir bist, kriegst du die Decken zurück«, sagte er, bevor er die Falltür schloss und etwas Schweres daraufschob.
Ich liege zusammengerollt auf der Pritsche, und alles tut weh. Meine Knochen liegen steif auf der dünnen Schaumstoffmatratze. Mitten in der Nacht döse ich endlich ein und fühle mich sonderbar und zittrig. Sofort muss ich an Tash denken. George hat gesagt, er würde sie bestrafen. Heißt das, sie ist in einem anderen Raum? Liegt sie mit mir wach? Grübelnd.
Ich nehme das Walkie-Talkie und drücke auf den Knopf.
»Hallo? Kann mich jemand hören?«
Nichts.
»Hallo? Ist da jemand?«
Als er antwortet, zucke ich zusammen. »Bist du bereit, nett zu mir zu sein?«
Ich lasse das Funkgerät auf den Zementboden fallen. Ein kleines Stück Plastik bricht ab, aber es funktioniert noch. George redet, doch ich antworte nicht. Stattdessen rolle ich mich auf der Pritsche zusammen und vergrabe den Kopf unter einem Kopfkissen. Irgendwann hört er auf.
Ich verstehe, warum Tash mit George die Leiter hinaufgestiegen ist. Sie wollte mich schützen. Sie wusste, dass ich noch Jungfrau war. Unerfahren. Naiv. Aber jedes Mal wenn sie in den Keller zurückkam, kletterte ein bisschen weniger von ihr die Leiter wieder herunter. Als hätte George ein Stück von ihr als Andenken behalten, oder sie hätte es oben liegen lassen.
Tash hat mich geliebt. Nicht so, wie ich sie geliebt habe, aber das ist mir egal. Ich weiß, wie es ist, jemanden zu lieben und es ihr nicht sagen zu können, weil es die Freundschaft kaputt machen würde. Und es ist besser, diese Person als Freundin zu haben, als sie ganz zu verlieren.
So war es mit Tash. Anfangs dachte ich, es wäre bloß eine Teenagerverknalltheit, so ein Mädchending, aber dann wurde mir klar, dass es mehr war. Tash hat ständig versucht, mich mit irgendwelchen Jungs zu verkuppeln, doch keiner hat mich interessiert. Ich wollte mit ihr zusammen sein.
Alle waren in Tash verschossen: Männer, Jungs und Opas. Die Väter, die sie als Babysitter verpflichteten und hinterher anboten, sie nach Hause zu fahren; die Ladenbesitzer, die sie anstellten; die Lehrer, die es zuließen, dass sie mit ihnen flirtete. Ich habe sogar meinen Vater dabei ertappt, wie er ihr verstohlene Blicke hinterhergeworfen hat. Ich hab sie auch angestarrt.
Für Tash war das alles bloß ein Spiel. Sie flirtete, zog sich sexy an und provozierte, weckte Erwartungen und zerstörte sie, unabsichtlich oder vorsätzlich. Dass Tash sich ändern würde, war so abwegig wie die Vorstellung, dass der Papst nicht mehr betete. Sie war voller Widersprüche – viel zu reif für ihr Alter, im Herzen aber ein Kind und immer am Abgrund balancierend.
Dauernd hat sie mir erklärt, sie würde aufhören, wenn sie den ultimativen Kick erlebt hätte, was ich nicht besonders logisch
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