Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
blieb sie noch immer stumm, doch ihre Geste besagte eindeutig: Sie war bereit, ihm zuzuhören.
Victor atmete tief ein. »Danke«, sagte er. Abermals eine lange Pause. »Vor über fünf, nein, fast sechs Jahren«, begann er, vorsichtig seine Worte wählend und sich dennoch mehrmals verhaspelnd, »lernte ich Janine Gauntly kennen und heiratete sie.« Donna sog tief die Luft ein. Plötzlich schien es rings um sie zu wirbeln, und in ihrem Magen rumorte es. »Hör mir zu«, fuhr er fort und schien ihren Zustand sehr genau zu erkennen: die wachsende Beklemmung, den sich gleichsam verdunkelnden Blick (obschon sie sich angestrengt bemühte, ihre Augen klar auf ihn gerichtet zu halten). »Wir sind geschieden«, versicherte er hastig. »Ich schwöre dir, wir sind geschieden. Das war schon, als ich hierherzog. Die Ehe erwies sich als Katastrophe – warum, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Es klappte einfach nicht, so gaben wir nach zwei Jahren auf, und ich zog aus. Kinder hatten wir nicht, irgendwelche Komplikationen schien es nicht zu geben. Aber dann gab es trotzdem eine.« Er legte eine dramatische Pause ein. Selbst jetzt, in diesem Augenblick der Krise, war er ungemein auf Wirkung bedacht. »Meine Mutter.«
Fast unhörbar atmete Donna aus, doch in ihrem Magen rumorte es weiter. Sie schwieg; wartete darauf, daß er fortfuhr. »Ich habe dir ja gesagt, daß ich ein Einzelkind war«, erklärte er, um sogleich hastig hinzuzusetzen, »und das stimmt. Meine Eltern konnten keine weiteren Kinder haben. Nachdem ich auf der
Welt war, hatte meine Mutter noch eine Reihe von Fehlgeburten – einmal war sie praktisch schon im sechsten Monat. Ein kleines Mädchen, das man nicht durchbringen konnte. Hiervon hat sich Mutter nie wirklich erholt, und mag es sich auch wie ein Klischee anhören – Janine wurde später für sie so etwas wie eine Tochter. Sie standen einander sehr nah, sehr, sehr nah. Allzu nah.« Er schwieg einen Augenblick. »Gab es zwischen Janine und mir irgendwelche Probleme, so ergriff sie stets für Janine Partei. Man hätte meinen können, Janine sei ihr Kind und ich der ›Angeheiratete‹. Mag sein, daß ich das übertrieben gesehen habe, aber es gefiel mir nicht. Andererseits versuchte ich, mich damit abzufinden. Solange es zwischen Janine und mir einigermaßen stimmte, ging das auch. Dann trennten wir uns, und ich zog in eine eigene Wohnung. Daß es meine Mutter hart ankommen würde, war mir klar gewesen. Was ich jedoch nicht ahnte, war dies: Meine Mutter fuhr fort, sich mit Janine zu treffen, und sie sprach mit ihr tagtäglich, wie sie’s seit langem zu tun pflegte.« Er hielt inne. Sein Blick forschte in Donnas Gesicht nach einem Hauch von Verständnis – er fand nur einen Ausdruck von Verwirrung: eine leicht gekräuselte Stirn. »Meine Mutter schien sich ganz und gar auf die Seite der Frau zu stellen, der ich zwei der elendsten Jahre meines Lebens verdankte. Vielleicht erkläre ich das nicht richtig, ich weiß nicht, aber ich fühlte mich – fühlte mich wirklich – verraten. Ja, verraten. Das ist das Wort. Die Vorstellung, daß die beiden miteinander befreundet blieben, war mir unerträglich. Zwischen Janine und mir war es aus. Ich wollte sie endgültig raus haben aus meinem Leben.« Von Satz zu Satz, von Wort zu Wort klang seine Stimme eindringlicher. »Schließlich stellte ich meine Mutter vor die Wahl: entweder Janine oder ich, die Exschwiegertochter oder der Sohn.« Er schüttelte den Kopf. »Klingt jetzt vielleicht kleinlich oder kindisch, ich weiß nicht. Damals allerdings war es für mich ungeheuer wichtig, und hauptsächlich darauf kommt es an. Nicht, wie wichtig oder unwichtig es für andere
war, sondern wie wichtig für mich.« Wieder brach er ab, und das Sprechen schien ihm zunehmend schwerer zu fallen. »Ich – äh – ich sagte meiner Mutter, wie mir zumute war. Ich sagte ihr auch, daß sie sich offenbar bereits klar entschieden habe; und es war auch nicht, daß sie die falsche Wahl traf, es war vielmehr...« Er brach ab, schwieg ein, zwei Sekunden, fuhr dann fort: »Sie zögerte.« Wieder hielt er inne. Was sich im Tieferen – im Psychologischen, wenn man so wollte – abgespielt hatte, schien er nach wie vor nicht zu begreifen. »Ich bot ihr die Wahl zwischen ihrem eigenen Sohn und jemandem, der erst zwei Jahre zuvor in ihr Leben getreten war – und sie zögerte. Also sagte ich, augenscheinlich habe sie ihre Wahl getroffen, und ansonsten gäbe es zwischen uns wohl nichts weiter zu
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