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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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hätte Ayan bloß angebaggert, um sich über sie lustig zu machen. Er hat sie verfickte Niggerlesbe genannt, und Heini war der Meinung, dass wir Jaro nicht in der Gruppe behalten sollten, weil er zu unzuverlässig ist. Und dann ist die Gruppe irgendwie auseinandergebrochen. Ich hab einfach weitergemacht und nicht gemerkt, dass ich gar nicht mehr zu schauspielern brauchte, sondern wirklich total heiß auf Noor war, und dann hab ich sie endlich ins Bett gekriegt … Aber sie wollte es auch …»
    Nachdem er sich in Fahrt geredet hatte, sprudelte alles aus ihm heraus: was er mit Noor unternommen hatte, Noors Zukunftsträume, wie seine Eltern sich darüber gefreut hatten, dass Noor in sein Leben getreten war, denn sie hatte Wert auf Erfolg in der Schule gelegt und Tuomas angespornt, seine Leistungen zu verbessern. Ich schrieb mir die Einzelheiten auf und fürchtete mich. Es fehlte bloß noch, dass Noors und Rahims männliche Verwandte von der Provokation erfuhren und sich an Tuomas rächten. Dann würde sich die Spirale des Hasses immer weiterdrehen.
    Es klopfte, ich stand auf und öffnete die Tür. Auf dem Flur stand Koivu, der ein neugieriges Gesicht zog, als er Tuomas erblickte. Er bedeutete mir mitzukommen. Ich schloss die Tür hinter mir und folgte ihm in den Ermittlungsraum.
    «Was macht denn Tuomas Soivio hier?», fragte Koivu, sobald wir dort angekommen waren.
    «Er wollte gestehen.»
    «Was denn? Rahim Ezfahani hat Noor ermordet, und die anderen Männer der Familie haben ihm geholfen, die Leiche zu verstecken. Der Verdacht hat sich bei den gestrigen Vernehmungen zusehends bestätigt. Puupponen ist nach Hause gegangen, er hat Kopfschmerzen. Kein Wunder bei dem, was die Ezfahanis so alles von sich gegeben haben.»
    Ich berichtete Koivu, worüber Tuomas mit mir gesprochen hatte. Als ich bei dem Video und der Versammlung angelangt war, ließ er sich auf einen Stuhl fallen. Nachdem ich geendet hatte, saß er lange schweigend da und sagte dann:
    «In gewisser Weise hatten die Ezfahanis also recht. Ihrer Ansicht nach war Tuomas ein Versucher, der ausgeschickt worden war, um Noor vom Islam abzukehren. Aber weil Noor sich an ihnen allen so schwer versündigt hat, war Rahims Tat in ihren Augen gerechtfertigt, obwohl sie einsehen, dass er nach dem finnischen Gesetz ins Gefängnis muss.»
    «Was hattest du übrigens auf dem Herzen?»
    «Ich wollte bloß guten Morgen sagen und fragen, ob du Zeit hast, in ein paar Stunden mit mir essen zu gehen. In der Kantine gibt es Lasagne mit Pesto und Huhn, die ist wahnsinnig gut. Meistens teilen Ville und ich uns noch eine dritte Portion.»
    «Dann behalten wir das im Auge. Ich hol dich ab, aber jetzt muss ich weitermachen.»
    Auch aus Gründen des Datenschutzes wollte ich Tuomas nicht allzu lange allein in meinem Dienstzimmer zurücklassen. Mit dem Computer konnte er zwar nicht viel anfangen, denn die Programme waren durch Passworte geschützt, aber die Aktenordner waren frei zugänglich, und es hätte mich nicht gewundert, wenn ich ihn dabei erwischt hätte, wie er in dem Ordner mit der Aufschrift «Noor Ezfahani» blätterte. Als ich mein Zimmer wieder betrat, saß Tuomas jedoch da wie ein Häuflein Elend, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und weinte.
    «Weißt du, ob Noor schon beerdigt worden ist?», fragte er, als er seine Stimme wieder unter Kontrolle hatte.
    «Ja, am Donnerstag.»
    «Wo?»
    «Auf dem Friedhof in Kirkkonummi gibt es einen kleinen islamischen Teil, da hat man sie beerdigt.»
    «Steht auf dem Grab schon ein Stein? Ich muss hin, ich will in ihrer Nähe sein.»
    «Ich weiß es nicht. Deine Mutter ist in Stockholm, hast du gesagt. Dienstlich? Und dein Vater?»
    «Der ist wohl bei der Arbeit, er hat gerade irgendeinen Bilanzabschluss. Mutti war ein bisschen unschlüssig, ob sie weg kann, wenn ich bloß zu Hause rumhänge, aber dann hat sie gesagt, ich bin ein erwachsener Mann und muss mit meiner Trauer selbst fertigwerden. Die können mir sowieso nicht helfen. Das kann keiner.»
    Bei der Vorstellung, dass Tuomas sich bald wieder ans Steuer setzen würde, war mir angst und bange.
    «Ich sag es noch einmal: Du hast dich wirklich verhalten wie ein verantwortungsloser Idiot. Aber Rahim hat Noor getötet, nicht du. Und vielleicht hilft uns das, was du mir erzählt hast, Ayan Ali Jussuf zu finden. Heini hat Ayans Mutter angelogen, da bin ich mir jetzt sicher. Warum hat Heini eigentlich einen solchen Hass auf Migranten?»
    «Die Migrantenfrauen hasst sie nicht, im

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