Sag mir, wo die Mädchen sind
wenn er mich begleitete. Natürlich hätte ich ihm auch einfach den Befehl geben können, aber die Einladung war der einfachste Weg, ihn umzustimmen, ohne dass er sein Gesicht verlor. Während er uns einen Wagen besorgte, las ich den ärztlichen Bericht über Heini Korhonens Verletzungen. Sie hatte Würgemale am Hals sowie Abschürfungen und Blutergüsse am ganzen Körper. Die Würgemale waren eindeutig durch Fremdeinwirkung verursacht worden, die übrigen Verletzungen hätte Heini sich im Prinzip selbst beibringen können. Das in ihrer Scheide gefundene Sperma wies Samir Amirs DNA auf und belegte, dass Geschlechtsverkehr stattgefunden hatte.
Es war ein kluger Schachzug von Heini gewesen, mich am Freitagabend anzurufen. Natürlich hatte ich ihr volle Sympathie entgegengebracht und ihr meine Unterstützung angeboten. Und sie hatte obendrein Glück gehabt, denn Samir schwieg. Seine Tat war natürlich nicht weniger schwerwiegend, weil Heini ihm die Gelegenheit geboten hatte. Für jeden Staatsanwalt war der medizinische Befund eindeutig.
Der Weg zum Mädchenclub war mir inzwischen nur allzu bekannt. An der Kreuzung bei der Menninkäisentie stockte der Verkehr, weil eine Kinderschar auf dem Weg zum Schwimmbad bei Grün die Straße überquerte und dadurch einen Lastzug daran hinderte, nach links abzubiegen. Die Hälfte des Sattelschleppers stand auf der Gegenspur. Koivu und ich sahen uns an. Der Brummifahrer verstieß eindeutig gegen die Verkehrsregeln, doch wir waren zu bequem, um einzugreifen. In aller Ruhe warteten wir ab, bis die Ampel wieder umsprang, während hinter uns ein Hupkonzert ertönte, als seien ein paar Minuten Zeitverlust eine Katastrophe. Auf der Otsolahdentie herrschte um diese Tageszeit kein Mangel an freien Parkplätzen.
«Sei du diesmal der nette Polizist», bat ich Koivu, als wir ausstiegen. Er nickte und wollte etwas erwidern, verkniff es sich aber.
Die Tür zum Mädchenclub war verschlossen. Ich musste dreimal klingeln, bevor Heini Korhonen aufmachte. Sie trug einen dunkelgrauen Pullover mit hohem Kragen und eine hellblaue, saubere Jeans. Die Haare hatte sie sich offenbar nicht gewaschen. Der Bluterguss an der linken Wange hatte sich gelbviolett gefärbt, sicher wurde sie deswegen auf der Straße angestarrt. Sie sagte nichts, auch Koivus Gruß erwiderte sie nicht.
Ich ging in den Sozialraum voran, setzte mich und holte den Laptop aus meiner Aktentasche. Koivu rückte Heini einen Stuhl zurecht und bedeutete ihr, sich zu setzen, dann stellte er sich an die Tür. In dem kleinen Raum wirkte er noch größer als sonst.
«Wir sind wegen dieses Videos hier», sagte ich und drehte den Monitor zu Heini hin. Anfangs zeigte sie keinerlei Interesse. Nach den ersten Worten wurde ihr jedoch klar, was ich ihr da zeigte, und als sie ihre eigene Stimme hörte, wurde sie rot. Dennoch schwieg sie, bis das Video abgelaufen war. Ich zog den USB -Stick heraus und klickte den ärztlichen Befund an.
«Du sagst auf diesem Video, dass du zu jedem Opfer bereit bist, das eure Sache verlangt. Hat es sich bei Samir Amir genau darum gehandelt? Du wusstest, dass er über dich herfallen würde, und hast ihn trotzdem in deine Wohnung gebeten?»
Heini antwortete nicht.
«Wir werfen dir nichts vor.» Koivu nahm den dritten Stuhl und setzte sich neben Heini. «Ich weiß eine ganze Menge über das Thema, das ihr da besprochen habt. Die Angehörigen meiner Frau sind als Flüchtlinge nach Finnland gekommen. Zuerst haben sie vor der Kulturrevolution in China Zuflucht in Vietnam gesucht, und in den siebziger Jahren mussten sie dann wieder fliehen. Vielleicht hast du von den Bootsflüchtlingen gehört. Meine Frau ist auch Polizistin. Ihre Familie hat alles getan, um sich hier zu integrieren. Anu – meine Frau hat sogar einen finnischen Vornamen angenommen – hat zwei Brüder, der eine arbeitet als Diplomingenieur bei Ericsson, der andere bildet als Lehrer Techniker aus. Ich kann sehr gut verstehen, dass ihr von Migranten verlangt, sich an unsere Regeln zu halten.»
Koivu hatte seinen Charme voll aufgedreht. Ich musste beinahe lächeln.
«Woher habt ihr das Video?» Heinis Stimme klang so apathisch wie am Telefon.
«Das spielt keine Rolle», gab ich zurück. «Wichtig ist nur, dass ihr angefangen habt, Gott zu spielen. Hätte es nicht gereicht, euch im Internet auszulassen?»
Heini sah mich wie ausgehöhlt an, doch als sie antwortete, wurde ihre Stimme allmählich lebendig.
«Begreifst du denn nicht? Wenn wir zu
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