Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
gesehen.
    Im Präsidium erwartete mich jedoch die Nachricht, dass eine Frau, die der Personenbeschreibung entsprach, am Flughafen in einen Bus der Linie einundsechzig der Verkehrsbetriebe Vantaa gestiegen war. Der Fahrer hatte gesagt, er könne diese Kopftuchträgerinnen nicht auseinanderhalten, aber eine von denen sei zugestiegen. Vielleicht hatten mir meine Augen einen Streich gespielt, und die Frau, die ich gesehen hatte, war doch nicht Aziza gewesen. Ich hatte mir einfach zu viel erhofft.
    Ich sprach mit einem Ermittler der Sicherheitspolizei über das Video, das ich kopiert und ihm geschickt hatte, doch er meinte, es bestehe kein Grund für irgendwelche Maßnahmen, denn die Fälle seien ja bereits geklärt. Zwei Namen aus der Gruppe standen ohnehin bereits auf der Observationsliste, einer davon war Kimmo Korhonen. Ich fragte erneut, ob die Sicherheitspolizei Informationen über eventuelle Finnlandkontakte von Issa Omar, dem Sohn des Drogenbarons Omar Jussuf, habe, bekam aber natürlich keine Antwort, selbst dann nicht, als ich aus Uzuris Mail zitierte.
    «Die habe ich schon gelöscht», log ich, als der Ermittler mich bat, die Mail an ihn weiterzuleiten.
    Ich fühlte mich immer noch leer, es war, als ob ich nach im Wind schwankenden Birkenzweigen tastete, sie jedoch nur mit den Fingerspitzen streifen konnte, bevor sie mir wieder entwichen. Unser Zuhause wirkte geradezu verlassen, weil mein Vater nicht mehr auf der harten Matratze im Wohnzimmer lag und die Ereignisse des Tages kommentierte. Ich suchte den USB -Stick heraus, auf dem die Fotos gespeichert waren, die ich beim Kurs an der Polizeifachhochschule und in Afghanistan gemacht hatte. Uzuri bei der Eröffnungsfeier, die lächelnde Muna, Ulrike und ich … Es war vielleicht die letzte Aufnahme von Ulrike. Auf einem der Fotos war Valas Profil zu sehen. Ich seufzte erleichtert auf, denn er schien mich endlich in Ruhe zu lassen. Da klingelte mein Handy. Es war kein anderer als Vala.
    «Tach, Kallio. Ich wollte dir nur sagen, dass ich morgen über Frankfurt nach Afghanistan zurückfliege. Kommst du zum Winken an den Flughafen?»
    «Sicher nicht.» Ich überlegte kurz, ob ich ihm erzählen sollte, dass ich vor einigen Stunden am Flughafen die Frau zu sehen geglaubt hatte, die seinen Angaben nach Issa Omars finnische Braut sein sollte. Aber Issa Omar würde bestimmt nicht einfach so nach Finnland kommen können, ihm waren immerhin die Geheimdienste mehrerer Länder auf den Fersen, sofern die Informationen im Internet zutrafen.
    «Schade. Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder. Oder auch nicht. Ich glaube nämlich nicht an ein Leben nach dem Tod. Da unten bauen sie jetzt mit Volldampf die Polizeischule wieder auf, die Idealisten. Wir versuchen, ihnen ein bisschen Schutz zu geben. Ein Teil der finnischen Truppen wird von Mazar-i-Sharif nach Südosten verlegt, in die Nähe der Schule. Ich bin dabei.»
    «Komm lebendig zurück.» Meine Stimme zitterte, obwohl Vala in meinem Leben nichts zu suchen hatte.
    «Das hab ich vor. Mach’s gut.» Damit beendete er das Gespräch.
    Ich verzichtete darauf, mir weitere Fotos anzusehen, und ging in die Küche, um den Lachs zu braten, den Antti am Vortag auf dem Markt gekauft hatte. Iida protestierte, weil ich ihn mit Rosépfeffer würzte, und Taneli erklärte sie daraufhin für blöd. Venjamin und Jahnukainen schleppten die Fischhaut durch die Küche und spielten so wild mit den Fetzen, dass überall Schuppen herumflogen.
    In all dem Getummel hörte ich nicht, dass auf meinem Diensthandy, das ich im Schlafzimmer liegen gelassen hatte, eine SMS einging. Ich bemerkte sie erst später, als ich bereits den Pyjama anzog. Die Nummer des Absenders wurde nicht angezeigt, aber die Mitteilung war unterschrieben.
    «Habe die Nachrichten bekommen. Wohnung leer. Ich habe Angst. Kann die finnische Polizei mir helfen? Aziza.»

[zur Inhaltsübersicht]
    21
    D a Aziza ihre SMS von einem unbekannten Anschluss geschickt hatte, konnte ich sie nicht anrufen. Sie musste jedoch zumindest kurz in der Wohnung in Leppävaara gewesen sein und meinen Brief und die Visitenkarte vorgefunden haben. Es war schon nach zehn, aber ich zog mich wieder an. Antti, der lesend im Bett lag, würdigte mich keiner Antwort, als ich sagte, ich müsse noch einmal los, um etwas nachzuprüfen. Während der Fahrt versuchte ich, Koivu zu erreichen, doch er meldete sich nicht am Handy, und am Festanschluss wollte ich so spät nicht mehr anrufen, um seine Kinder nicht zu wecken.

Weitere Kostenlose Bücher