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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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außer Landes geschmuggelt werden sollen. Wenn man mit dem Schiff fährt, wird das Gepäck ja ohnehin nicht kontrolliert.»
    «Hat Aziza dir das alles erzählt, nachdem du sie mit der Waffe bedroht hast?»
    «Wie gesagt, das Wissen, dass ich eine Waffe besitze, hat sich auf ihre Kooperationsbereitschaft überaus förderlich ausgewirkt.»
    «Das ist Nötigung, Vala. Hast du überhaupt einen Waffenschein für deine Knarre?»
    Er lachte nur. Aziza hatte uns mit ausdruckslosem Gesicht zugehört. Ich fragte sie, wo sie sich in den letzten zweieinhalb Monaten aufgehalten habe.
    «In Schweden und Dänemark», antwortete sie leise.
    «In Malmö?»
    «Malmö, Stockholm und Kopenhagen. In denen.» Offenbar hatte Aziza in den letzten Monaten kein Finnisch gesprochen und war aus der Übung. Ich fragte, ob sie lieber Schwedisch sprechen wolle, doch sie schüttelte den Kopf.
    «Was hast du in Schweden gemacht?»
    «Geheiratet», sagte Aziza. «Moschee in Malmö. Mein Vetter Muhammad Hasan. Kommt aus Afghanistan zu Hochzeit. Braucht finnischen Pass, ich bringe jetzt. Will ich nichts Böses tun. Der Mann hier sagt, ich darf Pass nicht bringen. Was sagt Polizei?»
    Ich setzte mich im Schneidersitz auf eine der aufgerollten Schlafmatten. Mein Handy piepte, eine SMS von Koivu. «Sorry, war in der Sauna. Soll ich kommen?» Ich tippte die Antwort, JA , war aber nicht schnell genug. Vala stand im Nu neben mir und nahm mir das Handy ab. Er hatte den Revolver gezogen, richtete den Lauf jedoch auf den Fußboden, nur einen halben Meter von meinem rechten Bein.
    «Mit wem simst du da?»
    «Mit einem Kollegen. Dienstlich. Gib mir das Handy zurück!»
    «Konzentrieren wir uns erst mal auf Aziza und auf Issa Omars Pass.» Seelenruhig steckte Vala mein Handy ein. Ich bemühte mich, keine Nervosität zu zeigen. Vala lebte offenbar in dem Wahn, dass ich eine Untergebene war, die seinen Befehlen unterwürfig Folge leistete.
    «Gib mir mein Handy. Willst du dir außer Nötigung noch mehr zuschulden kommen lassen?»
    Im selben Moment klingelte ein anderes Handy, und Aziza holte ein kleines blaues Ericsson-Modell aus der Rocktasche. Sie sah auf die Nummer und schaltete das Gerät aus.
    «Muss den Schlüssel werfen», sagte sie leise. «Ich darf Fenster aufmachen?» Sie richtete ihre Frage nicht an mich, sondern an Vala, der nickte. Ich überlegte, was er Aziza erzählt und als wer er sich ihr gegenüber ausgegeben hatte. Als sie den Schlüssel aus dem Fenster warf, fuhr ein kalter Windstoß herein und hätte ihr beinahe das Tuch vom Kopf gerissen. Sie schlug das Fenster zu, dass die Scheibe klirrte.
    «Jetzt kommt der Kerl. Wir verstecken uns in der Küche, Kallio. Dann überrasche ich ihn. Und du, Aziza, wenn du nicht tust, was ich dir gesagt habe, wird es deiner Familie schlecht ergehen.» Er fügte einige Wörter auf Persisch hinzu, das er in Afghanistan natürlich gelernt hatte. Auf diese Weise hatte er das Mädchen offenbar dazu gebracht, ihn in die Wohnung zu lassen.
    Ich folgte Vala in die Küche. Mir war heiß, ich hatte immer noch den dicken Wintermantel an. Kaum hatte ich ihn ausgezogen und auf den Fußboden fallen lassen, drehte sich an der Wohnungstür ein Schlüssel im Schloss. Wie lange hielt sich Vala schon in der Wohnung auf? Hatte er sie gründlich durchsucht und das Brotmesser gefunden, das ich bei meinem vorigen Besuch in einer Schublade gesehen hatte? Wenn nicht, hatte ich eine Chance, ihn zu überraschen.
    «Guten Abend.» Der Mann sprach akzentfrei Finnisch. Außer seinen Schritten waren keine weiteren zu hören. «Bist du allein?», fragte der Ankömmling. Azizas Antwort hörte ich nicht, vielleicht nickte sie nur wortlos. In der Küche war es nicht völlig dunkel, denn die Straßenlampen warfen Licht durch das Fenster. Ich sah Valas Silhouette, als er seine Waffe zog und aus der Küche ins Wohnzimmer trat. Dabei erstickte ich sowohl einen Ausruf als auch den Drang, mich auf ihn zu stürzen.
    «Hände hoch!», hörte ich ihn sagen. Dann schrie Aziza auf. Aus dem Wohnzimmer drangen raschelnde Geräusche wie von schnellen Bewegungen.
    «Lass das Mädchen los!» Valas Stimme klang angespannt.
    «Nein», antwortete der Mann. «Wer bist du überhaupt?»
    So leise wie möglich nahm ich das Brotmesser aus der Schublade. Natürlich wusste ich, dass es gegen eine Schusswaffe wenig ausrichten konnte. Ich spähte durch den Türspalt, bekam Vala jedoch nicht zu Gesicht. Stattdessen sah ich den Unbekannten, der Aziza als Schutzschild benutzte.

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