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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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sind, dass Frauen ohne weiteres allein oder zu zweit zusammenleben können, dass sie Wissenschaftlerin werden kann, wenn sie will … Verstehst du? Manchen von uns stehen die Freunde viel näher als die Familie, die wir uns schließlich nicht aussuchen können. Genau das hat Ayan in Finnland so toll gefunden. Dass man sich nicht dauernd nach seinen Verwandten und deren Meinung zu richten braucht.»
    Ich versprach Miina, sie sofort zu informieren, wenn wir auf Ayans Spuren stießen. Dann gingen wir zurück in den Aufenthaltsraum, wo sie sich in einen Sessel fallen ließ und die Wand anstarrte. Nelli kam herein und fragte, ob ich noch Fragen an sie hätte. Ihr folgte eine große, etwa dreißigjährige Frau, die ihre blonden Haare zu zwei dicken Zöpfen geflochten hatte.
    «Heini Korhonen, die Geschäftsführerin des Mädchenclubs», stellte sie sich vor. «Sie sind offenbar von der Polizei. Endlich! Schon drei von unseren Mädchen sind verschwunden, aber keiner tut etwas. Als hätte die Polizei Angst, sich in die Angelegenheiten von Migranten einzumischen.»
    «Drei? Haben auch Sara Amir und Aziza Abdi Hasan den Club besucht?»
    «Nicht so regelmäßig wie Ayan, aber ein, zwei Mal immerhin. Hat die Polizei den Zusammenhang nicht erkannt? Wir versuchen hier, den Mädchen zu helfen, sich zu integrieren und selbständig zu werden, was in manchen Migrantenkulturen nicht gern gesehen wird.» Es war deutlich zu erkennen, dass Heini Korhonen diesen Satz nicht zum ersten Mal sagte; sie schien an öffentliches Auftreten gewöhnt zu sein.
    «Du kennst also sowohl Sara als auch Aziza», stellte ich fest. «Wer sind ihre Freundinnen hier im Club?»
    «Aziza war nur einmal hier und Sara zweimal, zuerst mit den Mädchen aus ihrer Schulklasse, dann im Kochclub. Aber ich erinnere mich an beide, wie ich mich an alle Mädchen erinnere. Sie sind mir wichtig. Gut, dass auch die Polizei endlich wach wird. Ich hatte schon daran gedacht, irgendeinen investigativen Journalisten auf diese Fälle hinzuweisen. Man sollte doch meinen, dass so etwas die breite Öffentlichkeit interessiert. Sie können sich bestimmt vorstellen, wie viel Aufsehen es erregt hätte, wenn die vermissten Mädchen gebürtige Finninnen wären?»
    Heini sprach so laut, dass die Mädchen im Zimmer aufmerksam wurden. Ich fragte in die Runde, ob eine von ihnen Sara, Aziza oder Ayan kannte. Ein Mädchen, das sich als Niina vorstellte, sagte, sie gehe in dieselbe Schule wie Sara, aber in eine andere Klasse. In der Schule gehe das Gerücht um, Sara sei nach Bosnien zurückgeschickt worden, weil sie einen Freund hatte, einen Finnen namens Tommi.
    «Der ist nicht aus unserer Schule, sondern aus Siuntio oder so. Ich hab ihn nie gesehen. Auf Facebook hat irgendwer geschrieben, Sara wäre im Einkaufszentrum Hand in Hand mit einem langhaarigen Jungen gesehen worden, ein paar Tage, bevor sie dann nicht mehr zur Schule kam. Ich kann nachgucken, ob ich das noch finde.»
    Ich gab auch ihr meine Visitenkarte, die mir plötzlich altmodisch vorkam; im einundzwanzigsten Jahrhundert müsste man die Informationen wahrscheinlich direkt auf das Handy schicken. Wahrscheinlich würde das Mädchen das Stück Pappe in den nächsten Papierkorb werfen. Aber falls sie sich an meinen Namen erinnerte, würde sie mich gegebenenfalls über die Espooer Polizei kontaktieren können.
    «Noch etwas, was Saras Familie betrifft», hielt Heini Korhonen mich zurück, als ich bereits im Aufbruch war. «Ich bin den Leuten ein paarmal in anderem Zusammenhang begegnet. Ich spreche Serbokroatisch und arbeite bei Bedarf als behördliche Dolmetscherin. Sie waren nicht damit einverstanden, dass Sara den Club besuchte. Deshalb war sie wohl nur ein paarmal hier.»
    Auf meine Frage nach Saras angeblichem Freund konnte mir Heini nichts sagen. Ich musste los, um Taneli nicht warten zu lassen.
    Da er noch kein Handy hatte, konnte ich ihm nicht mitteilen, dass ich mich verspäten würde. Antti vertrat den Standpunkt, Kinder unter zehn bräuchten kein Handy. Nun zählte Taneli die Tage bis zu seinem Geburtstag im April, an dem er das ersehnte Gerät endlich bekommen würde.
    Miinas blasses Gesicht ging mir nicht aus dem Sinn, als ich im Supermarkt nach Zutaten für ein schnelles Abendessen suchte. Da Antti ins Konzert wollte, war ich diesmal für die Verpflegung zuständig. Das einheimische Barschfilet kostete zweieinhalb Mal so viel wie der aus Vietnam importierte Pangasius, aber ich entschied mich dennoch für den Barsch. Vom

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