Sag mir, wo die Mädchen sind
es offenbar doch geklappt.
Dem Ehepaar Koivu hatte ich beiläufig von der Begegnung mit Jenna erzählt, und im Lauf der Jahre hatte sich auch Puupponens Abneigung gegen Ström gelegt, daher würde Jennas Dienstantritt bei niemandem große Emotionen auslösen, sondern uns allenfalls vor Augen führen, wie rasant die Zeit verging.
Für Ursula Honkanen war Ström nur ein Name. Ich entdeckte einen Ring an ihrem linken Ringfinger und wollte bereits gratulieren, entschied mich dann aber dagegen. Schließlich war nicht gesagt, dass es sich um einen Verlobungsring handelte, zumal Ursula auch an mehreren anderen Fingern Schmuck trug. Früher oder später würde sie mich ohnehin über ihren derzeitigen Status unterrichten, zumindest, wenn ihr momentaner Partner eine bedeutende gesellschaftliche Stellung hatte.
«Der Fall Noor Ezfahani», begann ich, kam aber nicht weiter, denn Ursula fiel mir ins Wort.
«Du bist nicht mehr meine Chefin. Zwischen uns gibt es keine Befehlshierarchie, also brauche ich dir absolut nichts über den Fall zu sagen.»
«Aber du weißt doch, was unsere Zelle untersucht? Das Verschwinden von drei jungen Mädchen mit Migrationshintergrund. Zwar wurden keine Leichen gefunden, aber es gibt auch keinen Beweis dafür, dass die Mädchen noch am Leben sind. Ist dir nicht klar, dass dieser Mordfall damit zusammenhängen kann?» Ich ärgerte mich und fragte mich bereits, wie ich nur hatte glauben können, dass mir Ursula Honkanen gefehlt hatte.
Sie schob die Tür zum Besprechungszimmer zu, damit ich nur ja keinen Blick auf die Ermittlungswand erhaschte. Ihr Lächeln war noch immer spöttisch.
«Meine liebe Kallio, du hast gerade so viel Recht, dich in unseren Fall einzumischen, wie irgendein Schupo, der als Ampelersatz auf einer Kreuzung rumfuchtelt. Nämlich gar keins. Mir ist vollkommen klar, dass du dich als Nächstes bei Taskinen über meine Boshaftigkeit ausweinen wirst. Der ist ja überglücklich, weil er es geschafft hat, dich zurückzuholen. Was Frauen angeht, hat er immer schon einen perversen Geschmack gehabt.»
Ich lachte nur verächtlich und stiefelte davon. Da Ruuskanen in Turku war, hatte es im Moment keinen Sinn, über die Arbeitsteilung zu verhandeln. In meinem Dienstzimmer stellte ich zusammen, was wir über Ayan und Sara herausgefunden hatten. Gern hätte ich Saras Mutter nach den Antibabypillen gefragt, doch da sie kein Handy besaß, musste ich warten, bis sie nach Hause kam. Vielleicht konnte ich mich morgen in der Mittagspause mit ihr treffen.
Ich klickte die polizeiliche Bekanntmachung über Noors Tod an. Auch die Webseiten der größten Zeitungen waren bereits aktualisiert worden, doch sie boten nur spärliche Informationen. Wusste Ruuskanens Team, dass Noor regelmäßig den Mädchenclub besucht hatte? Wie würde man im Club reagieren? Heini und Nelli würden wahrscheinlich befragt und vielleicht auch von Reportern interviewt werden. Spätestens dann käme der Fall der verschwundenen Mädchen an die Öffentlichkeit, und der Medienzirkus ginge los.
Natürlich konnte ich Heini und Nelli nicht als Ermittlerin im Mordfall Noor befragen, da ich nicht zu Ruuskanens Dezernat gehörte. Aber als besorgte Mutter konnte ich sie anrufen. Hätte sich einer meiner Kollegen erdreistet, derart unverschämt in mein Revier einzudringen, wäre ich fuchsteufelswild geworden. Doch die Versuchung war zu groß, und ich suchte Heini Korhonens Nummer heraus. Sie meldete sich sofort.
«Korhonen. Na, endlich meldet sich die Polizei! Raten Sie mal, ob es angenehm ist, per SMS zu erfahren, dass eines unserer Mädchen ermordet wurde!» Ihre Stimme klang wütend und weinerlich zugleich. Sie war offensichtlich an einer vielbefahrenen Straße unterwegs, denn der Verkehrslärm übertönte ihre Worte fast.
«Ja, hier ist Kommissarin Maria Kallio von der Espooer Polizei. Ich wollte eigentlich …»
«Kann ich Sie zurückrufen? Ich bin gerade auf dem Weg zum Club, es ist nicht mehr weit. Hier draußen hört man furchtbar schlecht.»
«In Ordnung.»
Das Schicksal gab mir noch eine Chance, redlich zu bleiben, doch ich verschmähte sie, und als Heini zurückrief, ließ ich sie nach Herzenslust reden.
«Sie wissen sicher, dass Noor die islamische Kleidung aufgeben und sich westlich anziehen wollte? Begreifen Sie, was das für manche Familien bedeutet? Noors Vater wollte nicht zulassen, dass sie den Mädchenclub besucht, aber Noor war eine kluge junge Frau und hat an ihren Rechten festgehalten. Ein phantastisches
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