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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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mir ihre Kontaktdaten geben? Ich weiß noch nicht, wer sie befragen wird. Aber erzähl mir erst mal, was du über die Beziehung zwischen Noor und Tuomas Soivio weißt.»
    Da männliche Wesen nur als Redner oder Experten Zutritt zum Mädchenclub hatten, mussten die Freunde der Mädchen draußen bleiben, doch Heini hatte Tuomas mehrmals gesehen, als er Noor zum Club gebracht oder dort abgeholt hatte.
    «Noor wollte ihre Familie nicht belügen. Ich denke mir, dass sie mitunter gesagt hat, sie führe nach Tapiola, was an sich der Wahrheit entsprach, nur dass sie eben nicht in den Club, sondern zu Tuomas ging oder nur kurz bei uns hereinschaute und sich dann mit ihm traf. Der Club ist ja kein Kloster, wir wollen die Mädchen nicht von den Jungen fernhalten, sondern ihnen lediglich die Möglichkeit bieten, in ihrer Freizeit unter sich zu sein und zugleich der religiösen und kulturellen Kontrolle zu entkommen. Noor hat kein Hehl daraus gemacht, dass sie sich mit Tuomas traf. Ich leite eine Gesprächsrunde über Beziehungen und Sex, und Noor, die ja Ärztin werden wollte, war sehr neugierig, was anatomische Fragen betraf. Sie hatte ihre Familienangehörigen nie nackt gesehen, nicht einmal ihre Mutter. Einmal hatte sie eine Illustration aus einem finnischen Biologiebuch dabei, die Querschnittszeichnung eines Penis, und sie wollte wissen, wie so was in Wirklichkeit aussieht und sich anfühlt.»
    Offenbar hatte Noor weder Pornoseiten im Internet noch nächtliche Filme im Fernsehen angeschaut. Wobei es traurig genug war, wenn junge Mädchen ihr Wissen über die männliche Anatomie ausschließlich aus diesen Quellen bezogen. Iida ging noch immer mit uns zusammen in die Sauna, aber Antti hütete sich längst, ihren Körper zu kommentieren oder zu genau hinzusehen.
    Heini suchte mir Susanne Janssons Telefonnummer heraus. Ich notierte sie mir für alle Fälle, obwohl Ursula sie inzwischen vermutlich selbst eruiert hatte. Sylvia Sandelin war verstummt, gedämpftes Stimmengewirr drang aus dem Saal zu uns herüber. Ich wusste nicht, wie lange Iida bleiben wollte, und stand gerade auf, um hinüberzugehen und sie zu fragen, als ich einen Aufschrei hörte, der sich von einem Mädchen zum anderen fortzupflanzen schien. Ich rannte in den Saal.
    Ich erkannte den jungen Mann sofort, denn ich hatte sein Foto an diesem Morgen erst gesehen. Auf dem Bild hatte er fröhlich gelächelt, doch jetzt wirkte er verhärmt. Seine Hose und seine Jacke waren lehmverkrustet, als wäre er durch eine schmutzige Pfütze nach der anderen geradelt, ohne Rücksicht auf Spritzer.
    «Wo ist Heini? Ist sie hier?»
    «Tuomas, du kennst doch die Regeln», wies Sylvia Sandelin den Jungen zurecht.
    «Scheiß auf die Regeln! Noor ist tot, und ich muss mit Heini reden!»
    Ich wurde zur Seite gestoßen. Heini rannte an mir vorbei zu Tuomas und nahm ihn in die Arme. Sie war gut zehn Zentimeter kleiner als er, zog ihn aber an sich wie eine ältere Schwester, die ihren kleinen Bruder schützen will. Während sie ihm etwas ins Ohr flüsterte, führte sie ihn zum Ausgang.
    Heini wusste, dass die Polizei ihn suchte. Ich musste handeln. Rasch nahm ich mein Handy und rief die Einsatzzentrale an.
    «Kommissarin Kallio hier. X-Zwei in der Otsolahdentie sechzehn Cecilia. An der Tür im Erdgeschoss steht Mädchenclub. Ich bin vor Ort, brauche aber Unterstützung.»
    Während ich auf die Information über den nächsten Streifenwagen wartete, behielt ich Heini und Tuomas im Auge. Sie waren stehen geblieben, und nun war es Tuomas, der Heini etwas zuflüsterte. Ich versuchte, mich zwischen die beiden und die Tür zu schieben.
    «Die Sechs-drei-sieben war gerade zur Kaffeepause an der Teboil-Tankstelle Otaniemi, nur zwei Blöcke entfernt. Sie ist gleich da.»
    «Gut, verstanden.»
    Da ich wegen des Handys nur ein Ohr frei hatte und die Mädchen ziemlichen Lärm machten, hörte ich nicht, worüber Heini und Tuomas sprachen. Ich ging zu ihnen und berührte Tuomas an der Schulter.
    «Tuomas Soivio? Ich bin Kommissarin Maria Kallio von der Espooer Polizei. Wir haben vergeblich versucht, dich zu erreichen, und du hast nicht auf unsere Bitten um Rückruf reagiert. Wir hätten ein paar Fragen an dich.»
    Der Junge löste sich von Heini, deren Bluse an der Schulter nass geworden war. Er hatte geweint.
    «Die Streife ist gleich da. Sie bringt dich zum Präsidium, wo dann bald jemand mit dir reden wird», fügte ich hinzu.
    «Du Idiotin, willst du Tuomas etwa verhaften? Er hat nichts getan!», fuhr

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