Sag mir, wo die Mädchen sind
Mischsprache unterhalten. Er hat immer wieder englische Brocken untergemischt. Aber trotzdem hatte ich den Eindruck, dass beide fast wortwörtlich dasselbe sagten. Der einzige Unterschied war, dass Farid meinte, das Auberginenhuhn sei mit gerösteten Nüssen serviert worden, was der Großvater nicht erwähnt hat. Ob es sehr schwierig ist, Persisch zu lernen? Könnte vielleicht ganz nützlich sein. Einigen wir uns auf eine Rollenverteilung, oder sind wir einfach wir selbst?»
«Du könntest Soivio zu Beginn mit einem schlechten Witz einschüchtern.»
«Einschüchtern? Mit einem Witz schafft man eher eine freundschaftliche Basis. Allerdings ist dem Jungen bestimmt nicht nach Witzen zumute, wenn Noors Familie ihn für den Täter hält. Begreift er, dass aber auch das Wort von acht Menschen nichts gilt, solange wir keine konkreten Beweise haben?»
«Gehen wir mal nachsehen, was er begreift.»
Neben den Haftzellen im Kellergeschoss gab es zwei fensterlose, karge Vernehmungszimmer. Ich hatte darum gebeten, Tuomas Soivio in eins davon zu bringen, da der Zellenaufseher ihn dort im Auge behalten konnte. Die Streifenbeamten hatten Soivio routinemäßig Handy und Gürtel abgenommen und ihn nach Waffen abgetastet, obwohl er weder für sich noch für andere eine Gefahr darzustellen schien. Die Tür zum Vernehmungszimmer war nicht abgeschlossen. Der Aufseher Koskinen berichtete, Soivio habe über Durst geklagt und Orangensaft bekommen. Außerdem war er unter Aufsicht von Koskinen einmal kurz auf der Toilette gewesen.
«Er wirkt ganz vernünftig. Die Streife hat ihn pusten lassen, null Promille. Meinem Eindruck nach steht er auch nicht unter Drogen, er ist nur dreckig wie ein Hund, der sich im Schlamm gewälzt hat.»
Puupponen und ich betraten das Vernehmungszimmer. Die Deckenlampe war ausgeschaltet, nur eine Tischlampe beleuchtete den Raum. Tuomas Soivio hatte versucht, es sich gemütlich zu machen: Er saß im einzigen bequemen Sessel, dessen Rückenlehne er so weit nach hinten gestellt hatte wie möglich. Die schmutzigen Schuhe hatte er ausgezogen und die Füße auf den Tisch gelegt. Er saß halb liegend da, mit geschlossenen Augen, den Mantel über sich gelegt wie eine Decke, und schien zu schlafen. Aus dem linken Mundwinkel rann ein dünner Speichelfaden.
«Tuomas? Tuomas Soivio?» Der Junge fuhr hoch und schlug die Augen auf, schien jedoch nicht zu begreifen, wo er war. Als ich die Deckenlampe einschaltete, blinzelte er in das grelle Licht.
«Ich bin Kommissarin Kallio, wir sind uns vorhin ja schon im Mädchenclub begegnet. Das hier ist Kriminalmeister Puupponen. Es wäre nicht nötig gewesen, dich herzubringen, wenn du dich bei uns gemeldet hättest.»
Tuomas nahm die Füße vom Tisch und drückte auf den Knopf an der Armstütze, bis die Rückenlehne wieder senkrecht stand. Puupponen nahm an der anderen Seite des Tisches Platz, während ich meinen Stuhl an das Längsende schob, sodass ich zwischen den beiden Männern saß. Tuomas rieb sich das Gesicht und schüttelte sich.
«Ich hab keine Rückrufbitten bekommen.»
«Weder auf deine Mailbox noch über deine Eltern, als SMS und per E-Mail?»
«Ich war seit gestern nicht mehr zu Hause, und an meinem Handy ist der Akku leer. Sorry. Ich wusste nicht, dass ihr versucht habt, mich zu erreichen.» Es klang beinahe glaubhaft.
«Wie eng bist du mit Heini Korhonen befreundet?»
Die Frage überraschte Soivio. Er schluckte ein paar Mal, bevor er antwortete.
«Überhaupt nicht, ich kenne sie kaum. Aber sie war Noors Freundin, und ich wollte mit jemandem reden … Ich dachte, Heini würde mich verstehen.»
«Du weißt also, dass Noor Ezfahani tot ist?», vergewisserte sich Puupponen.
«Steht im Internet. Es muss wohl stimmen, denn Noor meldet sich nicht am Handy.»
«Wie hast du sie denn angerufen, wenn dein Akku leer ist?», hakte Puupponen nach, doch diesmal ließ Tuomas sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
«Es gibt noch andere Handys, und Noors Nummer habe ich im Kopf. Wo ist sie? Darf ich sie sehen? Nirgendwo steht, wie sie gestorben ist. Hat sie sehr gelitten?»
Wieder klang er beinahe glaubwürdig, und sein Gesichtsausdruck hätte jeden überzeugt. Aber da im Internet Gerüchte über das Kopftuch kursierten, zweifelte ich an seiner Unwissenheit. Oder war er einer der wenigen, die nicht alles glaubten, was im Internet behauptet wurde?
«Wann hast du Noor zum letzten Mal gesehen?»
«Am Dienstag … in der Schule, beim Mittagessen. Ich hatte danach keinen
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